Bei der Frisöse die Pfaffin. Frau Doktor saß im Salon der Frisöse, und ließ sich verschönern. Ihren mageren, evangelischen Sexappeal lässt sie farblich verstärken und in klassische Wellen legen. Sie begann davon zu predigen, wann sie sich zum letzten Mal generös wider die Armen gezeigt hatte.
Andreas saß, in das billige Kreuzworträtsel einer Frauenzeitschrift vertieft, und suchte französische Äquivalente zu deutschen Worten, dach denen gefragt wurde. Diese Entsprechungen mussten ebensoviele Buchstaben haben wie die die deutschen Antworten. Er war fast fertig, und er spitzte die Ohren. Frau Doktor beginnt eine Episode aus ihrer Sicht zu erzählen, die aus der Perspektive seines Vaters ganz anders kennt:
“An diesem sonnigen Nachmittag, als die Arbeitslosen, äh, die ABM-ler den Rasen der Gemeinde mähen mussten, da erwachte mein Mitgefühl. Denn steht nicht in der Bibel, du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst? Und da hatte ich gerade ein Glas frischen Orangensaft in der Hand. Und im Kühlschrank Grapefruitsaft von vorgestern. Den wollte ja keiner trinken von den Herren. Da tut man ihnen was Gutes wegen der Bitter-Stoffe und dann... und da man ja nichts verschwenden soll, so steht ja schon in der Schrift... da habe ich gedacht, ich bringe dem Herrn ein Opfer und mische meinen Orangensaft mit dem Grapefruitsaft und mische etwas Zucker drein und kaltes Brunnenwasser – äh – Leitungswasser – und ein paar Eiswürfel. Und eine Prise Salz, mein Mann sagt, es muss, äh, müsse isotonisch sein. Isostonisch. Ja.”
Andreas biss seinen Stift. Es knackte vernehmlich. Zucker? Salz hatte die Gute erwischt! Wie sich Vater beklagt hatte. Oh, wie Vater ob der Demütigung erbost war! Gab ihm die alte Vettel nicht Limonade mit Salz anstatt von Zucker zu trinken? Und wie freundlich sie gegrient hatte, die sadistische Hexe! Eine Perverse. Eindeutig. Das Gerücht stimmte: sie hatte natürlich etwas mit ihrem eigenen Bruder ghabt, die Irre. Kein Mensch verkraftet sowas schadlos! Wie sie gesalbt geredet hat, von der Vergebung und der Nächstenliebe, und dann bringt sie einem Limonade mit Salz!
Im Hintergrund läuft ein Lied aus dem Film acht Frauen, den er gesehen hatte, und dieses Lied passte gerade irgendwie auch auf sein Leben.
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