Man muss auch wieder unterscheiden. Den Freigeist (oder »Freidenker«), den Libertin und den Philosophen.
Eines ist jedenfalls klar: Demokraten sind das alles eigentlich nicht. Denn wenn die Meinung der Mehrheit irgendeinen objektiven Wert hätte, dann wären diese Kerlchen schon widerlegt.
Der Freigeist macht sich aber überhaupt nichts aus der Meinung der Massen. Die Massenmenschen sieht er eher mit einer Mischung aus Neugier und Fremdheit an. Niemals jedoch verachtung.
Falls Sie, lieber Leser, mal die französischen Moralist oder die englischen Amoralisten gelesen haben, davon hat der Freigeist das zumeist geerbt.
Der Freigeist will sich von den moralischen, religiösen und aus Gruppendruck entstandenen Vorurteilen seiner Zeit freimachen. Er ist damit immer ein Kämpfer gegen den Zeitgeist.
Freigeist muss dabei nicht zu den intelligentesten Zeitgenossen zählen. Das ist nicht negativ gemeint. Viele große Mathematiker waren Monarchisten und ihren König oder Fürsten treu ergeben. Naturwissenschaftler teilen häufig die Vorurteile ihrer Zeit bedenkenlos. Die Geisteswissenschaftler folgen stark den Moden, daher kommen sie als Freigeist kaum in Frage, auch wenn sie durchaus den Potenzial haben.
Auch muss ein Freigeist nicht unbedingt gebildet sein, weder was die Formal- noch was die inhaltliche Bildung angeht. Er sollte belesen sein und den Wunsch haben, dazuzulernen.
Nochmal zu den Mathematikern, wenn ich die schon mal auf den Kicker habe:
Nehmen Sie, teurer Leser, Kurt Gödel. Großer Logiker. Durchdringt mathematischen Probleme in einer tiefe, die unheimlich ist, aber Freigeist war der gute Mann nicht. Im Gegenteil, er scheint mit Einstein in einer sehr traditionellen Weise ein eher idealistisches Weltbild gehabt zu haben.
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