Das ist eine sehr persönliche Geschichte, die ich hier zum ersten Mal erzähle. Es fällt mir nicht leicht, überhaupt daran zu denken, und ich zweifele nicht daran, dass ich es schon bald bereuen werden, mein Schweigen in dieser Angelegenheit ausgerechnet heute zu brechen. Aber gut, es komme wie es komme, und ich kann nur hoffen, dass das Folgende möglichst vielen Menschen eine Warnung ist.
Alles begann mit einem außerordentlich starken Hungergefühl nach einem eigentlich gar nicht übermäßig strapaziösen Nachmittag im Garten. Lag es am Wetter, lag es an den Sternen – ich konnte jedenfalls dem Drange nach Butterkeksen nicht widerstehen. Natürlich nur die Butterkekse aus Hannover, mit denen verbindet mich seit meinen Studientagen eine besondere Beziehung. Denn ich war damals einer von denen, die den goldenen Keks vom Tor der Konzernzentrale stibitzen und vor derm Welfenschloss (dem Hauptgebäude der Uni) wieder auftauchen ließen. Die große Aufmerksamkeit, die ich und meine beiden Freunde mit dieser Aktion erregten, führte dazu, dass ich bis heute auf eben diese Kekse in besonderer Weise konditioniert bin. Naja, wenn ich ganz ehrlich bin, hat diese merkwürdige Beziehung wohl noch tiefere Urgründe, und nur um diese geht es hier wohl. Im Alter von etwa fünfzehn Jahren, es war eine der ersten kleinen Reisen, die ich abseits der elterlichen Obhut allein mit gleichaltrigen Freunden unternahm, – es war eine Radtour durch Hessen – überkam mich an einem heißen Sommerabend in Frankfurt am Main eine so ungestüme Gier nach den mir schon aus meiner Kindheit vertrauten Butterkeksen mit den soundsoviel Zähnen, dass ich in einer halben Stunde nicht weniger als vier oder fünf ganze Pakete davon hinunterschlang. Wohlgemerkt, nicht diese lächerlichen Babyportionen, die nur ein oder zwei einzelne Kekse enthalten, sondern das volle, 300 Gramm schwere Programm – über 1 Kilo Butterkekse. Das persönlich erhebende wie medizinisch bedenkliche Resultat ließ zwar nicht gerade sehr lange auf sich warten, aber es war doch, in den späten Abendstunden, da die anderen bei Tanz und Trunk sich vergnügten, eine einsame und schwere Geburt in dem etwas müffeligen Hostelbadezimmer. Und ich habe den Anblick bis heute nicht vergessen: Was ich da, gewissermaßen auf dem Präsentierteller des Keramikmöbels erblickte (wie sonst sollte man die, wie mir scheint heute etwas aus der Mode gekommene, charakteristische »Klippe« bezeichnen, die damals in vielen Toiletten verbaut war und die neugierig Gesinnten einen letzten Blick auf das Ausgeschiedene boten, bevor es für immer in den Abgrund hinabgespült wurde) – was ich da sah war, das war kein gewöhnliches Würstchen, keine zerspritzte Masse, kein steinhartes Ei, sondern ein butterkeksgoldener, formvollendeter, kreisrunder, Frankfurter Kranz.
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