Bei »Fledermaus« denke ich an Professor Rübsam. Er heißt wirklich so, und eigentlich mochte ich seine Zoologie-Vorlesung sehr gerne. Ich habe sie aus reinem Vergnügen besucht, weil ich noch nicht wusste, dass ich in Arabisch tatsächlich durchs Vordiplom kommen würde. Er näselt etwas und ist leicht auf die Palme zu bringen... Das ist oft genug passiert, weil die Bachelor-Studenten alles im Sinn hatten, nur nicht Zoologie. Eigentlich haben die nur gequatscht, und wäre nicht sein Mikro gewesen, dann hätte ich nicht viel von seiner Vorlesung gehabt! Einerlei - sein Steckenpferd sind Fledermäuse. Ich mag Fledermäuse, und bis zu seiner Weihnachtsvorlesung wusste ich nicht, wie interessant die Biester sind! Am liebsten sind mir ja die Flughunde mit ihren riesigen, klugen Augen und ihren knuffigen Gesichtern. Flughunde kann man irgendwie besser einschätzen als das nächtliche Gefleuch, das augenlos und vermittels Echolot durch die Dunkeleit navigiert. Kleine, schnüffelnde Nasen, Ohren, die knorpelig sind und sich ständig drehen, winzige, pechschwarze Augen, brutale, knackende Laute, die ich nicht einmal hören kann - nein, aus denen werde ich nicht schlau. Diesen fremdartigen Gesichtern kann man nichts ablesen... Sicher sind sie pelzig und niedlich, aber ihr Verhalten zu deuten oder ihre Stimmung zu erraten ist mangels Mimik nur schwer möglich. Was sollen sie in völliger Dunkelheit auch mit Mimik?
Ihr räumliches Gedächtnis ist allerdings phänomenal: nach einem kurzen Orientierungsflug wissen sie über ihre Umgebung bestens bescheid! Präpariert man die Höhle mit einer Angelschnur, die sie nicht mit ihren Ohren sehen können, dann merken sie sich dieses Hindernis ganz einfach, wenn sie einmal dagegen gekracht sind. Sie wissen zu jeder Zeit, wo sie sich befinden, selbst, wenn sie mal keine Laute zur Peilung ausstoßen.
Ich meine, auch der Mensch kann räumlich hören. Die Knorpel und Knubbel in der Ohrmuschel führen zu kleinen Laufzeitverzögerungen des Schallsignals. Auch wir können die Quelle eines Geräusches sehr genau orten.
Die Flügel der Fledermaus sind mit feinen Haaren bewachsen. Damit kann das Tier leichteste Luftströmungen wahrnemen - rasiert man die Flughäute, kann es nicht mehr richtig fliegen! Flugsaurier hatten ja auch Härchen auf den Schwingen - ob die dem gleichen Zweck gedient haben?
Das Sozialverhalten einiger Fledermausarten ist höchst komplex. Bei manchen Arten legt sich das Männchen einen Harem zu; es deckt auch seine eigenen Töchter. Manchmal machen weniger erfolgreiche männliche Tiere auch Travestie: sie verhalten sich wie Weibchen und lassen sich sogar vom Haremsbesitzer stöpseln - um dann bei gelegenheit dessen Weibchen zu begatten. Die geflügelte Schwuppe muss sicher hart im Nehmen sein: Fledermäuse haben im Vergleich zur Körpergröße den größten von allen Säugetieren.
Bei den Vampirfledermäusen geht es recht altruistisch zu. Die Tiere haben einen schnellen Stoffwechsel und brauchen jede Nacht Blut. Ist eine Fledermaus mal leer ausgegangen, dann wird sie von ihren Nachbarn mit einer Blutmahlzeit vor dem Hungertod bewahrt - bei Gelegenheit revanchieren sich die Mitesser. Tun sie das nicht, dann werden sie von ihren Artgenossen beim nächsten Mal ignoriert und müssen sterben. Das Gedächtnis einer Fledermaus scheint also recht zuverlässig zu sein...
Überhaupt haben die Flatterviecher einen abgefahrenen Metabolismus: beim Schlafen senken sie Körpertemperatur, reduzieren Herzschlag- und Atemfrequenz auf ein Minimum. Energiesparen ist wichtig - und im Winterschlaf sowieso.
Fledermausmütter leben ja oft in recht großen Kolonien und kören unter tausenden ihren Kinder heraus. Ganz schöne Leistung, das. Mir fällt es manchmal schon ziemlich schwer, meine Kommilitoninnen auseinanderzuhalten!
Der Blaster hatte mich gebeten, alles, was ich über »Fledermaus« weiß, ins Eingabefeld zu tippen. Ist nicht so wahnwitzig viel - bestimmt könnte Professor Rübsam erheblich mehr beisteuern, aber er ist nicht hier.
Wahrscheinlich stiefelt er gerade mit Atemschutz, Bauhelm, Lampe dran und im Overall durch irgendwelche dunklen Höhlen und versucht, dem Gegenstand seiner Forschung auf die Schliche zu kommen. Ist übrigens kein ungefährlicher Job: Fledermäuse haben oft Tollwut, und er kennt einen Wissenschaftler, der daran gestorben ist! Ich habe ihn mal gefragt, wie Fledermäuse Tollwut kriegen können, weil sie doch - zumindest in Mitteleuropa - bloß Nachtschmetterlinge futtern und Füchsen im allgemeinen nicht begegnen. Er konnte mir das auch nicht verraten. Mal sehen - vielleicht findet er es ja noch heraus?
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