Sobald die Fastenzeit vorüber ist, verwandeln sich ihre Läden in kleine Tempel, in denen irgendeine köstliche Wurst als Wurstgottheit, als mythische Göttin Salami verehrt zu werden scheint. Wie in den Totenkapellen die Wände mit Schädeln und Menschengebein überkleidet sind, so macht der Pizzicarolo (Metzger) seinen Laden zu einer graziösen Wurstkapelle. An der Decke hängen zahllose Wurstmosaiken, und Würste schweben hier phantastisch unter bunten Blumen, Lorbeer und Myrtenzweigen... Es sind ohne Zweifel ganz geschmackvolle Wurstfresken. In der Mittelwand wölbt sich eine mysteriöse Grotte, und darin dreht sich, zwischen Schinken und Würsten, die Passion Christi. Überall flimmern Ampeln und Lichter, und vor Freude, Stolz und Fett strahlend, steht der kunstreiche Wurstbildner hinter seiner Fleischbank und scheint der hereindringenden Menge die großen Worte zuzurufen : 'Auch ich bin ein bildender Künstler!'
Ferdinand Gregorovius: Rom
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