Mädchen und junge Frauen haben im letzten Jahrzehnt das Blockbuster-Kino erobert: als Amazonen, Superheldinnen und Erlöserinnen, als fighting girls. Aber diesen Aufstieg bezahlten sie teuer – er brachte sie um ihre Sexualität. Katniss Everdeen in den »Tributen von Panem« ist so rein wie die Jungfrau von Orleans; der fetischistische Look der peitschenschwingenden »Wonder Woman« wird durch mütterliche Wärme abgefedert und selbst in der »Twilight«-Vampirromanze ist der Sex ein schmerzhaftes Opfer, das auf dem Altar der reinen Liebe gebracht werden muss – Edwards edler Marmorkörper löst bei der Heldin Bella Verletzungen aus.
Da ist es kein Wunder, wenn sich das weibliche Publikum auf Erotik-Seller wie die »Fifty Shades of Grey«-Serie oder jetzt »After Passion« stürzt: Es muss da draußen einen Hunger nach Sinnlichkeit geben, den Wunsch, es möchte mal was anderes fließen als Blut und Tränen.
Dabei wissen auch die Fans, dass »Fifty Shades« und »After Passion« alles andere als Selbstermächtigungsmanifeste sind, dass sie auf der Jagd nach der verlorenen Lust in trüben Gewässern fischen. Und sie sind auch weniger ästhetische Phänomene als soziale, Produkte einer Kultur, die keine »Werke« mehr hervorbringt, sondern vom Murmeln der Texte und Kommentare im Resonanzraum des Internets lebt, vom Remix und Medien-Crossover. »Shades of Grey« und »After Passion« sind die ersten Erotikserien für junge Frauen, die den Sprung vom Bucherfolg zum Mainstreamfilm geschafft haben, also regelrechte Franchises geworden sind.
Und vielleicht ist es kein Zufall, dass sie ihre Wurzeln in der Fanfiction haben, der nichtkommerziellen, zum privaten Vergnügen geschriebenen Literatur vor allem weiblicher Medienfans. Hier erproben Millionen von Autorinnen, ausgehend von Figuren, Motiven und Weltentwürfen, die ihnen die Populärkultur an die Hand liefert, seit 30 Jahren ein eigenes Schreiben über Sexualität, Beziehungen, Gender Trouble; hier hat sich eine neue Pornografie von verblüffender Bandbreite entwickelt – straight oder queer, traditionell oder transgressiv, hart oder herzlich.
Längst haben nicht nur Studios und Verlage begriffen, dass Fanfiction ein Indikator ist für das, was ein junges, Pop- und Technik-affines Publikum interessiert – es hat sich auch die Idee verbreitet, dass man darauf Karrieren gründen kann. Eine ganze Reihe von Fanautorinnen schärfte in der Szene ihr Talent und ist mit Eigenschöpfungen auf dem Buchmarkt erfolgreich, vor allem in der Sparte Fantasy – eine erfreuliche Entwicklung. Problematischer ist es, wenn die Fanfics selbst mit wenigen Handgriffen, durch die Entfernung gröbster Hinweise auf die Vorlagen – etwa die Namen der Originalfiguren –, für den Markt aufbereitet werden, wenn also mit urheberrechtlich geschütztem Material Geld verdient wird.
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