Als wir noch mit Kraftfahrzeugen unterwegs waren, die zur Zeit Willy Brandts oder Helmut Schmidts Kanzlerschaft gebaut worden waren, da war unser Fahrverhalten ganz anders geprägt als das Heutige. Wesentlich war es gewesen, die Kiste am laufen zu halten - sie ging gerne mal unterwegs aus. Das Spiel in der Lenkung war beträchtlich, und das Einlegen der Gänge bedurfte einer ausserordentlichen Sorgfalt. Argwöhnlich beäugten wir die Kühlwassertemperaturanzeige, und den Geräuschen, die aus dem Motorraum, dem Antriebsstrang und den Achsen wenig gedämpft zu uns in den Fahrgastraum drangen, widmeten wir eine Aufmerksamkeit, die nur noch mit der einer Musikstudentin bei einem Rubinstein-Konzert verglichen werden konnte - insbesondere bei feucht-kalter Witterung.
Heute indessen ist unser Fahrverhalten dadurch bestimmt, die Abstimmung der Höhe und Bässe der Hifi-Anlage, die eben noch Joe Cocker gedröhnt hat, an die Vivaldi-Jahreszeiten anzupassen, am Funktelefon diffizile Fragen des Einkommenssteuerrechts oder des Verdachtes auf Vollzug eines ausserehelichen Beischlafs zu diskutieren, während die Momentanverbrauchsanzeige unsere optische Aufmerksamkeit fesselt. Die Temperaturanzeige ist bedeutungslos geworden - sie steht eh immer akurat in der Mitte. Schaltvorgänge reduzieren sich auf die Auswahl von Automatikprogramm-Ensembles, und die Tatsache von Geräuschen aus dem Antriebsstrang an sich, die imstande sein konnten, die unglaublichen Abschirmungsmaßnahmen der Automobildesigner zu überwinden, ist Anlaß zu allergrößten Beunruhigungen geworden. Ausgehen tuen die Kisten neuerdings auch wieder - aber diesesmal aus »ökologischen Gründen«. Über die Witterung erhalten wir nur noch Informationen über den Bordcomputer, und anstelle eines zerfledderten Shell-Auto-Atlanten ist das »Navi« getreten: »Wenn möglich - bitte wenden !«
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