Ein wenig komme ich mir vor, als hätte ich gestern meinen lieben K* verraten. Ich bin zur Notapotheke gefahren, weil er eine üble Magen–Darm–Grippe hat. Der diensthabenden Apothekerin sagte ich aber nicht etwa, wie es mir in jeder ähnlichen Situation selbstverständlich gewesen wäre »Ich brauche Loperamid, mein Partner hat den Flutsch...« (Gut, Flutsch würde ich sowieso nicht sagen). Stattdessen sagte ich ohne langes Nachdenken, ich würde das Mittel für meinen Vater brauchen. Schon während ich auf das Präparat wartete, wurde mir die Überflüssigkeit dieser Behauptung bewusst, erklären konnte ich sie mir zunächst nicht. Aber dann fiel es mir ein: als ab 1985 AIDS ein globales Thema wurde, war das, was jeder damit an Symptomen verband, Hautkrebs, Lungenentzündung und Durchfälle. Also lege ich es mir mal als die schmeichelhafteste Deutung zurecht, daß ich der netten jungen Apothekerin das neue Jahr nicht durch die Anbahnung einer übertrieben sentimentalen Gedankenkette vermiesen wollte. Zu Hause angekommen, glich ich diese mich doch immer noch beschäftigende Episode durch größtmögliche Fürsorge aus. Was mir heute auch einen halben Tag auf dem Klo eingebracht hat. Nemesis Divina. Ich hoffe nur, wenn K* morgen für mich in die Apotheke geht, sagt er nicht, sein Gärtner habe sich den Magen verkühlt.
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