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Höflichkeitsliga schrieb am 23.3. 2003 um 20:29:38 Uhr über

Füllhorn

Der Bub sitzt gescheitelt am Klavier und tut schön adagio italienisch dilettieren, durch das Zimmer geht ein Luftzug der die Vorhänge rührt, ein Trugschluß, dann Pianissimo, und dann hebt der Bub seine rechte Hand blitzschnell hoch in den Himmel, um sie mit schrecklichster Gewalt auf die Tasten krachen zu lassen, und just als es solchermaßen Forte wird und wir schon die Hände, halb des Erstaunens wegen und halb zum Schutz, zum Kopf nehmen, gießt die Mutter Maria ein Füllhorn voll Gold über dem feierlich gedeckten Esstisch aus, das nicht aufhört zu fließen bis alles in goldenem Glanz erstarrt, der Bub, noch in der Bewegung, mit offenem Mund, den Kopf in den Nacken geworfen, die Finger gespreizt kurz vor dem Anschlag, Tante Mathilda mit der Kaffetasse zwischen spitzem Zeigefinger und Daumen, die andere Hand in Verzückung auf den Busen ihrer Bluse gelegt, Frau Zacherl in Konversation mit ihrem Tischnachbarn Herrn Obermeyer den Kopf nach links geneigt, dieser mit ernstahfter Miene um das Monokel im Zuhören begriffen, und ich selbst mir gerade mit der Hand durch das Haar fahrend, alles zerstarrt im goldenen Glanz, und einem Beobachter wäre es wohl fast so gewesen als ob auch die Noten die eben noch so schön aus dem Klavier geperlt waren in jenem Moment gülden in sanftem Klinklang auf den nun vergoldeten Boden gefallen wären. Draußen auf dem Platz sind die Menschen zusammengeströmt, weil der Erste Weltkrieg nämlich angefangen hat...





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