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Bettina schrieb am 20.6. 2015 um 15:25:13 Uhr über

Fötzchenlecker

Als der Bauer auf dem Felde mit seiner Arbeit fertig war, trieb er mit seinen Kühen nach dem Dorfe zurück. Da suchte er die Straße hinauf, die Straße hinab nach dem Haus mit dem Kirschbaum davor, aber er fand es nicht und fand es nicht. Die Beiden standen am Fenster, sahen, wie der arme Bauer suchte und lachten. Endlich sprach der Schneider, der doch kein so ganz verdorbenes Herz hatte, wie das Weib: „Wir wollen ihn doch die Nacht noch einmal bei uns logiren lassen. Morgen mag er sehn, wie er sich forthilft.“ Er trat an die Thür und als der Bauer wieder vorbeikam und ein recht betrübtes Gesicht machte, rief er ihm zu und sprach: „Was fehlt euch denn?“ „Ach ich suche mein Haus, davor ein Kirschbaum steht, und kann es nicht finden und habe doch die letzte Nacht darin geschlafen. Sagt mir doch, wo ich mein Haus mit dem Kirschbaum finde,“ bat der Bauer und der Schneider sprach: „Lieber Freund, ich bin in dem Ort geboren und erzogen, aber ein Haus mit einem Kirschbaum habe ich nie hier gesehn. Ihr müßt in einem andern Ort zu Hause sein. Da es aber schon spät ist, so geht mit mir und übernachtet bei mir.“ „Gott lohn's euch!“ sagte der Bauer und bot ihm treuherzig die Hand, dann trieb er seine Kühe durch das Hofthor in den Stall und der Schneider ging mit. Im Stalle schaute der Bauer sich um und sprach: „Wenn der Stall nicht euch gehörte, weiß der Himmel, ich möchte drauf schwören, es sei mein Stall.“ „Was sind das für Redensarten? Ihr werdet doch nicht denken, ich hätte euren Stall genommen?“ frug der Schneider. „Bewahre, bewahre, lieber Freund,“ antwortete der Bauer. „Ein Stall kann ja aber dem andern gleichen.“ Nachdem die Thiere versorgt waren, sagte der Schneider: „Nun kommt herein und eßt mit uns zu Nacht.“ „Von Herzen gern, ich habe großen Hunger,“ sprach der Bauer und folgte dem Schneider. Als sie in die Stube kamen, saß das Weib da und strickte. Der Bauer schaute sich um, guckte das Weib an und sprach: „Wie es einem doch so kurios gehen kann! Wenn ich nicht wüßte, daß ich in eurem Hause bin, wollte ich drauf schwören, das sei meine Stube und dort sitze meine Frau.“ „Was muß ich da hören?“ rief der Schneider. „Zuvor sagtet ihr, daß es euch scheine, mein Stall sei euer, und jetzt wollt ihr gar behaupten, mein Haus und meine Frau seien euer.“ „Bewahre, lieber Freund,“ sprach der Bauer, „aber ein Haus und eine Frau können einander gleichen. Es schien mir nur so.“ Sie setzten sich jetzt zu Tische und aßen, dann legten sie sich alle schlafen. Da berieth der Schneider mit dem Weibe, was sie jetzt weiter machen sollten. „Halt ich hab's!“ rief er endlich. „Ich sah in deinem Kleiderschrank vorhin ein schwarzes Kleid hängen, daraus mache ich ihm einen Pfarrersrock und ein Pfarrerkäppchen. Für das Uebrige laß mich nur sorgen.“ Sie holte rasch das Kleid und Zwirn, Nadel und Scheere dazu, mein Schneider sprang auf den Tisch und nähte tapfer drauf los, so daß er vor Tagesanbruch mit dem Anzuge fertig war; den legte er dem Bauern vor sein Bett.


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