Kinder balancieren ja gerne über schmale Mauern. Kerstin war da keine Ausnahme. Mutig wie sie war, suchte sie sich allerdings in den Sommerferien auf dem Lande ein über eine Jauchegrube querliegendes Holzbrett aus. Im Unterschied zur Mauer konnte sie darauf nämlich noch wunderbar wippen. Leider verpasste sie die Resonanzfrequenz des Brettes: beim dritten oder vierten Schwung kam sie runter als das Brett rauf kam, es schlug ihr unter die Sohlen, sie verlor das Gleichgewicht und rutschte vom Brett in die üble Brühe. Als es platschte, rief die Mutter entsetzt, »oh Gott, oh Gott, das Kind...«, der Vater stürmte hilfsbereit herbei, blieb aber stehen, als er sah, dass Kerstin schon, ohne Hilfe zu benötigen, allerdings recht triefend, den angrenzenden Misthaufen erkletterte, und fing an zu lachen. Kerstins Fäkaliendrama war für ihn natürlich immer eine Fäkalienkomödie, die er jahrelang in aller Breite bei jeder gesellschaftlichen Gelegenheit erzählte. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wippen eines leichtgewichtigen Kindes auf einem Brett über einer Jauchegrube in den Fäkalien endet, ist allerdings auch zu hoch, um dem Ereignis eine tragische Seite geben zu können.
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