Der Experte spielt im Bonzentum eine zwar weniger auffällige, aber um so wichtigere Rolle. Beispielhaft und hoch luzide war etwa das Freimütige Bekenntnis des mittlererweile durch Suizid verstorbenen Bonzen Jürgen Möllemann, der, zum Wirtschaftsminister ernannt, freimütig bekannte, von seinem Amt nicht die geringste Ahnung, sich aber ein Buch gekauft zu haben. Diese Situation darf als absolut typisch für das Bonzentum betrachtet werden: es gehört zum Wesen des Bonzismus, daß Bonzen und Bönzchen auf Positionen befördert werden, für die sie völlig unqualifiziert sind. Um diese Positionen jedoch ausfüllen zu können, sind die Bonzen und Bönzchen dabei auf die sogen. »Experten« angewiesen, die ihnen zwar an Rang unterlegen, aber an Qualifikation weit überlegen sind. Bonze und Experte schließen dabei eine Art Pakt: der Experte macht für den Bonzen die Arbeit oder ermöglicht es dem Bonzen mit Rat und Tat, daß dieser seine Arbeit erledigen kann, wofür der Experte weniger klar definierte Vorteile erhält, die ihn dem Bonzentum näher bringen, an seiner Macht teilhaben lassen. Aus diesem deal kann durchaus die Verbonzung des Experten erwachsen, was aber nicht notwendig ist. Denn der Experte erkennt, daß seine Expertise ihm eine Machtposition verschafft, die ausserhalb des engeren Bonzentums seine Quelle hat, und ihm daher einen Schutz gegen bonzistische Angriffe verleiht. Der Experte kann so eine Machtposition erlangen, die diejenige seines formell vorgesetzten Bonzen weitaus übertreffen kann. Als Beispiel mag auch hier, anschließend an den vorgenannten Möllemann, der legendäre beamtete Staatsekretär Otto Schlecht im Bundeswirtschaftsministerium gelten, der über jahrzehnte als der »eigentliche« Chef des Ministeriums galt, dem es völlig egal sein konnte, wer unter ihm Minister war.
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