Das wesentliche, das erste Examen der Jurisprudenz, auch »Referendar« genannt, ist ein an mittelalterliche Exerzitien gemahnende Veranstaltung, in deren Kern die herkulische Leistung steht, sich die wesentlichen Grundprinzipien des Rechts mit dem Nürnberger Trichter in die Birne zu ballern. »Denken« findet nicht statt in dieser Zeit sondern ausschließlich die Aufnahme von Wissen und dessen Speicherung. Man beginnt von Gesetzen und Verordnungen zu träumen und ertappt sich dabei, selbst beim Ficken das Recht der Personenhandelsgesellschaften, der OHG und der KG zu memorieren. Tatsächlich stellt sich zu einem gewissen Zeitpunkt auch ein tranceähnlicher Zustand ein - man fühlt sich sogar verhältnismässig wohl, wenn man durch eiserne Dispziplin den gefassten Vorbereitungsplan halbwegs einhält und die Zuversicht wächst. In den Klausuren kulminiert dann die Anspannung - man taumelt jedesmal aus dem Prüfungsraum wie ein geschlagener Boxer aus dem Ring. Und nach dem Turnus der Klausuren will man wochenlang nur noch schlafen, bricht regelrecht zusammen, weiß kaum noch etwas vernünftiges mit sich anzufangen. Dann kommt der Tag, an dem man die »Postzustellungsurkunde« mit den Ergebnissen im Briefkasten vorfindet: mit zitternden Händen zerfetzt man den Umschlag, blättert fiebrig die zahllosen Blätter mit Belehrungen, Hinweisen, Vorschriften und sonstigem Käse durch, bis man die alles entscheidende Zahl findet: die Note. Auch eine gute Note führt zu wackeligen Knieen, weil sich nocheinmal die Anspannung eines gesammten Jahres in einem Augenblick konzentriert. Das »mündliche« wird, entsprechend gute Note aus dem Schriftlichen vorausgesetzt, dann sogar in einer gewissen Feierlaune absolviert.
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