Aus Paul Nizon, Canto:
... sind wieder neue Schwertlilien aufgeblüht. Noch klebriges Schwert zückt sich aus Blattscheide und steht querundspitz und reißt die Luft auf: blau, stufenblau. Und der Garten: Prozession des Blühens. Wir stehn unter Blütenwundern. Glück entsteht über Augenwege, weil Glocken aus Glück von diesen Sträußen in Augen fallen. Nicht Sträuße: jeder Baum ein vielarmiger Leuchter von weißem, von rötlichem, lila Blütenschaum. Jeder der Äste, ein jeder Zweig büschelweise besteckt mit weit offenen, schimmernden Blüten, und die Blüten nicht Fata Morgana, nicht Spiegelung: sind. Sind am Baumbrunnen. Der Garten voller vielverzweigter, feststehender Wunder, und wieviel Kraft am Grunde, die das auftreibt, entschleiert und offenhält. Und wir darunter. Können das aushalten. Das fällt blendend ein. Glocken aus Glück. Da hineinschauen macht schöne Augen.
Und unten der Lilie magisches Zeremoniell. Herausfordernd querstehend das entzückte Schwert, innenfrisch, bewacht den Flur des Blütenstaubs um den Stempel.
Im Garten Leuchteralleen. Wir sind umstellt, gesellschaftlich umstellt von blühenden Einzelwesen. Ausfluchtloser Natur. Müssen es glauben.
Ich schreibe auf heißer Steinplatte...
... Haben ein kochendes Blau, diese Augen, schauen offenbar, ernst, ohne Furcht, schauen an; schauen eigenständig aus dem Prinzengesicht, wissen nicht, wie sehr sie dich aussetzen. Du liebst dich nicht. Mit mir willst du sein, wir leben Tage und Nächte in der Mansarde, Orangen und Nüsse auf dem Koffer, das kleine Radio spielt, gibt das einzige Licht in dem Zimmer, hoch sind die Zinnen des Hauses, im Dachschlupf, der nach Mandarinen und Zigaretten duftet, deine Handschuhe liegen auf meinem Tisch und duften nach dir, im Dachschlupf, hoch, steigen wir aus unseren Kleidern und nackt in ein Bett, wachen auf, wenn für die andern tiefste Nacht ist, setzen uns zu Orangen un Nüssen, zünden Zigaretten, Tee, das kleine Radio brennt noch, die Kerze... Und gehst wieder weg, gehst prinzlicher Wege. Ich aber möchte nun deine Handschuhe ganz und dein Kleid immer in meinem Schrank haben, welch eine Unruhe, Eifersucht, ich lasse das Studium liegen, folge dir. Wochenenden auf Fahrt, die Wochenenden wachsen zu immer längeren Tagketten aus, gehn ganz in Fahrt auf. Du hast einen schönen weißen Mädchenleib, wenn die Stiefel ausgezogen sind und das Mantelkleid...
Dein Gesicht ist das bekannteste, ich kenne es mit den Fingern des Auges, der Hand und den Fingern des Herzens. Du bist die genaueste Fremde, die´s gibt. Und nun in Grottaferrata. Du in dem kleinen Haus und im Garten, wir bei den Sonnenuntergängen, in dem Familiespielen in Fremdlandmiete ohne Ablagerung. Ich halte den Atem an, wenn ich ankomme, habe Angst, es könne alles geträumt sein, du von der hohen Schaukel am Turmspitz, du vom hohen Turm weggeflogen. Doch du bist da.
Früh, wenn der Tag mit blanken Augen vor dem Fenster steht...
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