Eine Erlösung erlebe ich jeden Tag, die Erlösung von meinem BH. Solange ich im Bett liege oder unter der Dusche stehe, ist die Welt noch in Ordnung, aber dann muss ich mich in dieses Folterwerkzeug zwängen. Warum ich mir das zumute? Gesellschaftliche Normen erfordern es. Eine Frau geht nicht ohne BH aus dem Haus, denn das sieht man, heißt es. Und man sieht es wirklich. Kurz nachdem ich das enge Ding anlege, beginnt es bereits zu jucken, zunächst nur leicht, aber später so richtig. Das ständige Einschnüren in Schultern und Rücken macht mich wahnsinnig. Es zwickt und juckt an Stellen, die ich niemals erreichen kann, solange ich mich in der Öffentlichkeit aufhalte. Dann winde ich mich ein wenig und versuche diskret, an die juckenden Stellen heranzukommen, aber so sehr ich mich auch abmühe, es gelingt mir nicht. Dafür ernte ich vielsagende Blicke. Wenn ich mal kurz allein bin, fahre ich mit den Fingern manchmal etwas unter die einschnürenden Träger, das tut gut, aber eine Erlösung ist es nicht. Den ganzen Tag quäle ich mich so, im Sommer ist es die pure Hölle! Wenn ich dann abends von einem anstrengenden Tag nach Hause komme, gibt es für mich kein Halten mehr. Raus aus dem Ding!!! Welche Frau kennt nicht dieses Gefühl unbeschreiblicher Erleichterung, wenn sie die Häkchen am Rücken löst und endlich Luft überall herankommt. Wenn ich mich im Spiegel sehe, erzählen mir tiefe Furchen auf den Schultern und deutliche Abdrücke auf dem Rücken von den Qualen des Tages. Den BH abzulegen, das ich für mich eine Erlösung, eine Erlösung, die wir Frauen jeden Tag herbeisehnen und genießen!
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