Todeseintritt nach Abtrennung des Kopfes
Es sind zahlreiche Geschichten von Enthaupteten bekannt, die nach ihrer Exekution noch eine Zeitlang weitergelebt haben sollen. So soll der Pirat Klaus Störtebeker nach seiner Hinrichtung noch ohne Kopf an seiner versammelten Mannschaft vorbeigelaufen sein.
Auch aus der Zeit der Französischen Revolution sind Aussagen z. B. über vermeintliche Sprechversuche abgetrennter Köpfe überliefert. Der deutsche Arzt Johannes Wendt und der Franzose Séguret stellten Versuche an, um die Reaktionen der Köpfe zu erforschen. Danach sollten sie beispielsweise noch reflexartig die Augen schließen, wenn er seine Hand schnell auf das Gesicht zubewegte oder den Kopf hellem Licht aussetzte. Nach einem Bericht des französischen Arztes Beaurieux von 1905 hatte der Kopf eines guillotinierten Verbrechers sogar noch etwa 30 Sekunden auf Zurufe reagiert.
Der forensische Pathologe Ron Wright ging davon aus, dass nach der Abtrennung des Kopfes das Gehirn für etwa 13 Sekunden weiterleben könne, zumindest seien Augenbewegungen usw. innerhalb dieses Zeitraums möglich. Die genaue Spanne, die das unversorgte Gehirn überlebe, sei von chemischen Faktoren abhängig wie z. B. von der verfügbaren Sauerstoffmenge zum Zeitpunkt der Enthauptung.
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Ereignisse nach Abtrennen des Kopfes aus neurophysiologischer Sicht
Die früher oft lebhaft diskutierte Spekulation um die Geschehnisse unmittelbar nach einer Hinrichtung durch Köpfen ist historisch gesehen immer wieder aufgeflammt. Offensichtlich haben sich die Menschen oft gefragt, ob abgetrennte Köpfe noch bewußte Leistungen erbringen können. Die Gründe dafür, warum dies so von Interesse war, seien dahin gestellt. Erwiesen ist, dass das Gehirn etwa 3 Minuten ohne Sauerstoff überleben und damit arbeiten kann.
Nach heutiger Sicht treten unmittelbar nach der Hinrichtung folgende Ereignisse ein: Das Durchtrennen spinaler Nervenphasern bewirkt innerhalb der Axone, aus denen sie bestehen, eine im physiologischen Höchstmaß ansteigende Frequenz von Aktionspotentialen, was gleichzeitig mit dem sofortigen Ausfall der lateralen Hemmung verbunden ist. Dadurch setzt sich innerhalb von 300 Millisekunden eine massive und unkontrollierte Ausbreitung der Erregungsmuster ins Gehirn fort, wobei sich sämtliche Formationen beteiligen. Das führt zu einer sofortigen Bewußtlosigkeit und einer tiefgreifenden, irreversiblen Störung sämtlicher zerebraler Funktionen. Eine vergleichbare, aber um viele Potenzen schwächere unkontrollierte Erregungsausbreitung ist auch von epileptischen Anfällen bekannt, bei denen sich aber nur einige, sehr wenige Areale beteiligen. Die Bewußtlosigkeit eines abgetrennten Kopfes hingegen ist bereits mit dem Ausfalls der lateralen Hemmung massiv und irreversibel. Bewußte oder höher verarbeitete Reaktionen eines abgetrennten Kopfes auf Zurufe sind nach Ablauf von 300 Millisekunden zuverlässig auszuschließen. Man spricht hier auch von einem zerebralen Schock, der nicht eintreten kann, sondern in jedem Falle eintreten muss.
Die Abläufe innerhalb der ersten Sekunden nach der Abtrennung sind heute ebenfalls sicher bekannt. Da die enorme unkontrollierte Erregung in den durchtrennten und letal geschädigten Axonen aus zellphysiologischen und energetischen Gründen nur über wenige Sekunden aufrecht erhalten werden kann, setzt deren biologischer Tod bereits innerhalb weniger Sekunden nach ihrer Durchtrennung ein. Dies ist deshalb so, weil die Fähigkeit, Aktionspotentiale zu transportieren ein essentieller und lebensnotwendiger Stoffwechselbestandteil aller Neurone ist. Werden die intrazellulären Reserven an ATP erschöpft, kommt die Tätigkeit der Ionenpumpen (aktive membrandurchspannende Proteine) zum Erliegen, was zum sofortigen biologische Tod der (durchtrennten) spinalen Axone führt. Das Absterben der Axone setzt sich wie ein Lauffeuer von der Stelle der Durchtrennung bis ins Gehirn fort, wo es nach ca. 5 Sekunden die zugehörigen Soma (siehe Pyramidenzellen), von denen sie stammen, erreicht. In diesem Moment sterben die Zellen ab.
Bemerkung eines Pathologen: Die Zellen sterben nicht ab, sondern verfallen in eine Art Stase, weil sie keine Energie mehr erhalten. Nachdem die ATP-Potentiale mangels Sauerstoff erschöpft ist, stirbt die Zelle... nach etwa 3 Minuten.
Höhere Projektionsgebiete dieser sterbenden Zellen - d.h. weitergeschaltete Verbindungen, die mit Anbruch der ersten 300 Millisekunden erregt wurden - tragen diese Erregung aber zwangsläufig so lange fort, bis ihre eigenen intrazellulären Reserven erschöpft sind. Da das Gehirn aber über Gliazellen noch ca. 20 Sekunden nach Unterbrechung der Blutzufuhr mit Sauerstoff versorgt werden kann, können die Reserven der Projektionsgebiete noch bis zum Ablauf dieser Zeit teilweise ersetzt werden. Dann tritt auch hier der biologische Tod ein.
Nicht berücksichtigt ist hierbei der enorm ansteigenden Energiebedarf der Zellen, der mit der Aktivitätserhöhung einher geht. Die Reserven sind vermutlich wesentlich schneller verbraucht als bspw. bei einer Unterbrechung der Blutzufuhr, wie sie bei Unfallopfern vorkommen kann, bei denen der zerebrale Schock unterblieb. In jedem Fall sind bei abgetrenntem Kopf innerhalb von ca. 20 Sekunden, vermutlich aber früher, alle ATP Reserven verbraucht und die Repolarisationsfähigkeit der Zellmembranen kommt generell zum Erliegen.
Eine Ausnahme hiervon spielen nur ganglienzellulär basierte Erregungskreise, die außerhalb des Gehirns lokalisiert sind und überwiegend Reflexe ermöglichen. Da diese Erregungskreise in Bezug auf das Gehirn vornehmlich afferent verschaltet sind und nur wenig efferenten Input erhalten, können sie noch während der fatalen Vorgänge im Gehirn gezeigt werden. Der Lidschlußreflex zählt beispielsweise hierunter, der ähnlich wie spinale Reflexe funktioniert. (Analog dazu kann auch der vom Kopf abgetrennte, der sogn. spinalisierte Körper noch Reflexe zeigen.) Hieraus erklären sich Beobachtungen, nach denen ein abgetrennter Kopf noch auf eine schnell auf ihn zubewegte Hand reagiert haben soll. Reflexe wie diese sind jedoch kein Zeichen einer zerebralen Präsenz oder gar einer bewußten Reaktion. Beobachtungen wie Kiefer und Zungenbewegungen entstammen efferenten Reaktionen, wie sie auch bei epileptischen Anfällen auftreten. Sie bedeuten nicht, daß der Kopf noch etwas sagen wollte, sondern sind ungerichteten Muskelbewegungen gleichzusetzen. Entsprechende Berichte aus der Literatur entstammen eher phantastischen oder makaberen Ausschmückungen von naiven Vorstellungen, die sich die Zuschauer bei solchen Ereignissen von der Sache machten.
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