Im 32. Kapitel der Genesis findet sich eine Begebenheit, die mich schon als Kind fasziniert hat. In den unretuschierten Worten der Lutherübersetzung:
DA rang ein Man mit jm bis die morgenröte anbrach. Vnd da er sahe / das er jn nicht vbermocht /rüret er das Gelenck seiner hüfft an / Vnd das gelenck seiner hüfft ward vber dem ringen mit jm / verrenckt. Vnd er sprach / Las mich gehen / denn die morgenröte bricht an / Aber er antwortet / Jch las dich nicht /du segenest mich denn. Er sprach / Wie heissestu? Er antwortet / Jacob. Er sprach / Du solt nicht mehr Jacob heissen / sondern JsraEl / Denn du hast mit Gott vnd mit Menschen gekempfft / vnd bist obgelegen.
VND Jacob fraget jn / vnd sprach / Sage doch /wie heissestu? Er aber sprach / Warumb fragestu /wie ich heisse? Vnd er segenete jn daselbs. Vnd Jacob hies die stet Pniel / Denn ich habe Gott von angesicht gesehen / vnd meine Seele ist genesen. Vnd als er fur Pnuel vber kam / gieng jm die Sonne auff / Vnd er hincket an seiner Hüfft.
Da ist viel Nachdenkenswertes in dieser Geschichte, finde ich, da braucht man sich gar nicht lange bei der Frage Pniel oder Pnuel aufhalten, das ist ein Nebenkriegsschauplatz, verglichen mit dem gewaltigen Bild, das hinter all dem steht, und das über Jahrhunderte die bildnerische Phantasie der größten Künstler entzündet hat: Jenes stundenlange Ringen eines geschätzt mindestens 35jährigen Mannes (denn er hatte zuvor dem Laban je 7 Jahre gedient, um seine beiden Töchter zu heiraten und war anschließend noch einmal sechs Jahre durch die Welt gezogen) mit einem Flügelwesen, zumindest legen die meisten Abbildungen, von Rembrandt bis zu den Holzschnitten Schnorr von Carolsfeld, die unsere Hausbibel schmückten, diese Deutung nah. Und wer einmal einen Wellensittich zum Krallenschneiden in die Hand genommen hat, weiß, was für sperrige und zugleich fragile Gebilde Flügel sind. Der Kampf scheint ungefähr pari zu stehn, als der Engel, der eigentlich niemand anders ist als der heilige Gottseibeiuns persönlich, zu einem Foul greift und Jakob die Hüfte auskugelt. Aua, das tut richtig weh. Und dafür erhält er den Kampfnamen Israel, das heißt verdolmetscht 'der mit dem Gott ringt'. Ich will da nichts reindrewermannen, aber dieses Ringen mit einem unbesiegbaren Gegner, der dich zum Schluss noch mit faulen Tricks zu Boden streckt und Dir als Dankeschön eine Urkunde verleiht, das ist ein Urtopos der Menschheit, da weiß jeder was von, glaube ich. Mit und um was man nicht so alles ringen kann.
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