Er ist anziehend, lasziv, wenn er von seinem Fix runter kommt. Kaputte Ästhetik. Ich mag seine verschwitzten Haare, die Bewegung, mit der er sie sich aus dem Gesicht streicht. Seine Augen glänzen, und der Blick ist noch sehr nach innen gekehrt. Nur langsam kommt er zurück, sieht... was? Sein Atmen ist mehr Keuchen, so schleicht er um mich herum. Lüsterner Löwe, träge und satt, er will genießen und hat Zeit. Keine Eile. Ich mag ihn. Er ist sensibel, aufmerksam, und er teilt mit anderen, wenn die in Not sind. Kleiner St. Martin.
Opium heilt alles
Ungefähr sieben- bis achttausend Euro braucht er für seinen Stoff im Monat. Ich frag ihn nicht, wie er sich das Geld beschafft, scheint aber nur selten ein Problem zu sein. Darf es auch gar nicht sein, denn der Affe droht. Ich hab ihn erlebt, auf Entzug. Da hat er geschrien, sich die Kleidung vom Leib gerissen und Kopf vorwärts gegen die Wand geworfen. Das Methadon alleine ist kein Ersatz, schon nicht für den Kick im Kopf. Der Gedanke an den Stoff ist allgegenwärtig, auch in seinen Träumen. Opium heilt alles, außer sich selbst. Mich zieht diese Art zu leben an, obwohl es nicht my way wäre. Ein bisschen trainspotting, aber ist es in dieser Haut so romantisch, wie es ein Film vorspielen kann? Hauptdarsteller im eigenen Leben zu sein, nicht Zuschauer.
Es spielt keine Rolle
Wenn du weißt, was du willst, ist es keine Frage mehr, ob du im Pilotensitz Platz nehmen möchtest. Du fragst nicht, du tust es einfach. Koste es, was es wolle. Es spielt keine Rolle, ob wer mit deiner Entscheidung einverstanden ist. Die Erlaubnis gibst du dir selbst. Tue was du willst, aber tu niemand weh. „Ich nehme nur Drogen, die ich mir direkt in die Blutbahn schießen kann“, sagt er und grinst, mit Blick auf die Zigarette die ich mir anstecke und dann tief inhaliere. Nein, Rauchen kommt für ihn nicht in Frage. Auch nicht, sich die Shore zusammen mit Pillen
aufzukochen, um die Wirkung zu verstärken. Beliebt unter den Junks sind starke Schmerzmittel oder Diacepam. Er ist noch nicht lebensmüde und Purist, wenn es um die Wirkung des Stoffs geht. Zur Zeit ist ein sehr reines Heroin auf dem Markt. Selbst erfahrene Konsumenten verschätzten sich, mit dem Ergebnis von fünf Toten innerhalb von vier Tagen. Da mache ich mir keine Sorgen um ihn, denn wenn er den Dealer nicht kennt, dosiert er grundsätzlich erst mal ein Drittel seiner üblichen Dosis, um den Reinheitsgrad zu testen. Aber das kommt selten vor, denn er hat einen Stamm-Dealer, den er schon seit Jahren kennt. Es gibt sie, die Dr. Feelgoods, denen es nicht um das zu verdienende Geld geht.
Den Preis bezahlen
Drogen, das ist mehr als verboten und kriminell. Es gibt wenige, die sich bewusst dafür entschieden haben, mit Drogen zu leben, und den Preis in Kauf nehmen. Warum? Diese Frage stellt nur jemand, der sich seiner eigenen Drogen nicht bewusst ist. Ein Tag ohne Fernsehen ist kein Tag, und der fängt ohne den ersten Kaffe am Morgen beschissen an. Und nur die erste Zigarette des Tages schmeckt doch richtig, oder?
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