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Der Gedanke, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht, gehört zu einer der Grundüberzeugungen der jüdisch-christlichen Kultur. Schon bevor ein Zimmermannssohn aus dem galiläischen Nazareth sich anschickte, das Himmelreich auf Erden zu verkünden, knisterte es im palästinischen Raum vor apokalyptischer Hochspannung, die sich immer wieder in politischen Befreiungsbewegungen entlud. Auch für die erste Generation der Christen stand ausser Zweifel, dass ihr Messias nach seiner Himmelfahrt bald schon auf die Erde zurückkäme, um das Ende einzuläuten.
Natürlich sollte die islamische Religion hier nicht vergessen werden, in der die Endzeiterwartung auch eine Rolle spielt.
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Doch je länger sich diese Wiederkunft verzögerte, um so wichtiger wurde es, sich theologisch auf der Erde für längere Zeit einzurichten. Trotzdem blieb die Frage nach dem Ende aktuell, schliesslich lag das Drehbuch für den letzten Showdown bereit und fand als «Offenbarung des Johannes» den Weg in den Kanon der biblischen Bücher. Neun Jahrhunderte später wird dann der Mönch Adso aus dem lothringischen Kloster Montier-en-Der alles zusammenfassen, was er über das Ende in Erfahrung hat bringen können: er wird vom Auftritt des Antichristen erzählen, vom letzten Endkaiser und der apokalyptischen Schlacht zwischen den wiedererscheinenden alttestamentlichen Propheten Elias und Henoch und dem Antichristen als ihrem grossen Widersacher.
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Die Sehnsucht nach dem unmittelbaren Ende des irdischen Jammertales verband sich immer wieder mit der Utopie nach sozialer und geistlicher Gerechtigkeit im endzeitlichen Paradies und bedeutete seit der Jahrtausendwende auch politischen Sprengstoff: spirituell-häretische Bewegungen negierten die politische Ordnung, Kreuzfahrerheere schufen sich ihre eigene Sicht der Dinge und der Stauferkaiser Friedrich II. (1194–1250) und der Papst warfen sich gegenseitig vor, den Stuhl des Antichristen besetzt zu halten. Doch auch abseits der grossen Ereignisgeschichte machte sich das Abendland ein genaues Bild vom Ende – ein Ende, an dem Gerechtigkeit durch den Richterspruch Gottes nun definitiv Einzug halten wird, wenn im Letzten Gericht die Guten von den Bösen getrennt werden. Ab dem 11. Jahrhundert erscheint Christus als der Richter in monumentalen Bildinszenierungen an den Westportalen der Kirchen, als religiöser Appell an die Gläubigen, aber auch als bildliche Vorwegnahme dessen, was alle einst erwarten wird.
Mit dem Ende des Mittelalters ist es mit den Endzeiterwartungen nicht zu ende.
Auch Luther sprach davon. Noch heute gibt es religöse Gruppierungen, in denen sie eine – manchmal sogar zentrale – Rolle spielen.
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Es ist gerade dieser starke messianische Zug der jüdischen und christlichen Kultur, der im Horizont von Friede und Gerechtigkeit das paradiesische Ende der Zeiten herbeisehnt – und herbeizukämpfen versucht: zuletzt als geschichtsphilosophischer Entwurf des säkularen Juden Karl Marx und des aus pietistischem Hause stammenden Friedrich Engels.
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Und wenn der Androide Arnold «Terminator» Schwarzenegger in «Terminator 2: Judgment Day» (USA 1991) die Welt in einem apokalyptischen Endkampf vor dem Bösen schützt und ihn zuletzt im Stahlwerk in den Hochofen stürzt, dann erzählen unsere Kinowelten die mittelalterlichen Erzählungen vom letzten Kampf aus der Offenbarung nach, wo «der Teufel, der die Menschen verführte, in den Pfuhl von Feuer und Schwefel» geworfen wird (Apk. 20, 10).
Ich frage mich, welche Wirkungen die „Erwartung einer Endzeit“ auf Menschen heute hat … .
http://www.isis-admin.unibas.ch/stud...6&semest er=4
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