dann auch später im Sinne der »Genealogie des Kollektivs« nietzsclieaiiiscli aufinuiiitioniert, also unter dem Gesichtspunkt des »Willens zur Maclit«9').
Negri behandelt in den folgenden Kapiteln Spinozas Entwicklung wie ein Drama, als eine Selbstinszenierung nach Art Sliakespeares.' Er lässt die wild-anoi-nale Offensive der Herren-Revolution alle Dimensionen philosophischer Problematik wie eine geistesdrai-natische Tlieaterkostümierung durchlaufen. Er totalisiert den Maclitwillen seiner grundlegenden Kräfte und treibt ihren »Dynamismus« als »Übertließen des vitalen Prozesses«, in einem fortwährenden »Sich-qualifizieren zu höheren Seins-Stufen«, liistoriscli über das 17. Jahrhundert ins Absolute einer zugleich offenen Zukunft: als Verabsolutierung der »Produktivkräfte«, als »schaffende Kraft« gegen die Fesseln des Marktes und diejeweils bürgerliche Ordnung, in den mächtigen und schöpferischen Eiiergien des »Begelirens«. »Alles ist Reichtum, ist Befreiung derproduktivkraft«, die »Verherrlichuilg der Produktivkraft« (durchaus im modernen politiscli-ökonomisclien Sprachgebrauch), »die liöcllste i-netaphysisclie Produktivkraft des neuen Menschen« im »machtvollen Wiedererscheinen der Konzeption des eindeutigen Seins, als Reichtum, als unbezwingbare Herrschaft des Lebens« und als »Wildes Vermögen der Natur« (potentia, der zentrale begriftliclie Bezug des »Empire« auf Spiiioza), »unverhältnismäßig und übermenschlich, ein ungezälii-ntes Vorgehen«, sozial fori-niert in der »kollektiven Konstitution des Wirklichen«: »Eine mächtige Metliodologie erscheint nunmelir, gegründet auf die Strenge der produktiven Kausalität, aggressiv und unbezähmbar.«"
Was darin nicht aufgeht, sich dem entgegenstellt, wird pliilosopliiscii elii-niniert, in die »Negativität«, das »Nichts«, die »Leere«, ins »Niclit-Sein«. Diese Formulierungen impfen Spinoza mit einer eliminatorisclien Tendenz nietzscheanischer Prägung, in der sich die unten behandelten fascliistoiden Reiniguiigsphäntasien des
ebd. S. 36
ebd. S. 164, auch 21.
vgl. vor allein das 7. Kapitel, insbesondere die 172-178, vor allem aber das 8. Kapitel, aber auch S. 104, 150 ff., 157 ff., 205 f. et passim. »Uiigezäht-nt« und »überinenschlich« sind nicht die einzigen Nietzscheanisinen, der Text ist voll davon. Die Riietorik schwillt wie in »Ei-npire« zum Sciiiussakkord an, die Reizwörter verstreuen sich über den gailzen Text und massieren sich zum Ende hin.
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>Empire« pililosopliiepolitiscii andeuten. »Überwindung« und »Unterwerfung« der Ordnung unter die scliaffeiiden Kräfte der Akkumulatioii wird als »Entwurf des Heils« konzipiert, in der die krisenhafte Negativität, die sich als Zeichen der Beschränkung »ins Wesen hineinsetzt«, »immer wuchtiger« zerstört wird, als »Nichts«, als »Nicht-Sein«. Eine »Ethik des Kampfes« etabliert sich, »Kampf das zerstörerische Vermögen.««" gegen das Nicht-Sein, gegen
Das alles ist die Rhetorik des »Ernpire«. Eindeutig wie dort, aber mit klaren Etiketten und im ausdrücklichen Bekenntnis, wird sie aus der Perspektive der Revolution von oben und in ihrem Dienst verwendet. Wenn »Empire« das innovative Potential, die Energien der neuen Spezialisten aus dem linken Spektrum in den Prozess biopolitisclier Verwirklichung als Befreiung im Sinne Spinozas einspeisen will, dann sagt uns Negri hier: wisset wohl, es ist ein Projekt der posti-nodernen Erneuerung der Impulse der bürgerlichen Revolution gegen die Ordnung des Ancien Regimes.
Ist das Spinoza? Das ist zunächst Oberhaupt nicht die Frage. Es ist Negri, entwickelt an Spinoza, ein spinozistisclies Experiment. Als guter Scliüler von Nietzsches »Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben« bereitet er Spinoza auf, aus seinem eigenen Horizont für den aktuellen Gebrauch:
@Die Philosophie hat keine Geschichte. Die Ideologie Lind ihre Philosophischc Form können nur Geschichte sein, Geschichte eines Menschen, der sie geschaffen und mit seinem Denken zu einer bestimmten Praxis verdichtet hat. Wir können aus der Vielfältigkeit jeiier Praxis, jener Situation schöpfen, aber das Gestern und das Heute verbindet nur eine neue und bestimmte Praxis. Wir sind es, die sich einen Autor vornehmen und ihm Fragen stehend
Und so arbeitet Negri mit der
@'Hypothcse: es gibt in der Tat zwei Spinozas, die an unserer zeitgenössischen Kultur teilhaben...Der Erste ist ein Autor der kapitalistischen Ordnung, der Zweite vielleicht der Schöpfer einer künfti . gen Konstitution (... ) - An der Vertiefung dieser Hypothese müssen wir arbeiten.@,
Negri weiß, dass Spinozas Entwurf keine Projektion in die Zukunft enthält, er ist es, der sie in eine »Philosophie der Zukunft« verwandelt, aus der »historischen Notwendigkeit«."2
1111 Ebd.S.205,206.EsisteineTendenz,diedarausresultiert,dass»potentia« ZU »Produktivkraft« und Negativität zu,>Krise« verkürzt wird, und keine Grundlage in den Texten findet.
1112 ebd. S. 206.
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