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wuming schrieb am 12.5. 2003 um 01:41:31 Uhr über

Empire

Diese »Arbeit« vetfälirt in beiden Büclierii nach demselben Rezept. Die propa-aiidistisclien Prozeduren der Projektion, Dramatisieruiig, Eitisclileifting, der begriftliclien Tendenzausriclitung, Hoclirüstung und Übersteigerung nehmen »Ei-npire« vorweg. Hier wie dort werden die Begriffe, die in den verwendeten Zitaten Spinoza aufrufen, nicht analytisch verwendet, sondern als selbstevidente, affektive Sclilagworte zur Gefühlserregung im Sinne gemeinschaftlicher, ui-nfassend-absoluter, von Begehren und Liebe durchströmter schöpferischen Handlungsmaclit. Sie tauchen immer auf im Koiitext des propagierten Projekts zur Verwirklicliung der total vergei-neinschafteten, versclimolzenen, verwobenen expansiven Biomaclit von Leben als Arbeit und Kommunikation, die kein Außen mehr kennt Lind jede Blockierung und Widerstand zersclimettert.
Und Spinoza? Spinoza erscheint bei oberflächlichem Blick zunächst gut verwendungsfähig. Nietzsche hat ilin, wie er einem Brief an Overbeck anvertraut hat, »ganz entzückt« als seinen »Vorgänger« adoptiert.»' Spinoza entwickelt eine Philosophie der Macht, des Vermögens zur »Selbsterhaltung« in Handeln und Erkennen. Er fundiert Handeln und Erkennen radikal im natürliclien Vermögen eines jeden Individuums, die ihm innewohnende Seinsmaclit oder Kraft zu verwirklichen - Ausdruck Gottes als absolute, uneiidliclie, unbescilränkte Substanz. Ich schreibe hier nichts über Spinoza und kaiiii daher die Ausarbeitung dieses Ansatzes in seiner komplexen theologischen, etliisclien, politischen und erkenntiiistlieoretisclieii Ausprägung unmöglich umreißen. Er gewinnt im posti-noderiieii Take-off wieder rasant an Bedeutung«".
Wer Lust hat, kann den Einstieg in für uns wichtige Zusai-nmenliänge ohne Schwierigkeiten über Spinozas eigenezusammenfassungen suchen. In ihnen stellt er seinen Ansatz (die umfassendste Darstellung enthält die Ethik) als Ausgangspunkt für die Bearbeitung spezifischer Themen gut fasslicli vor, z.B. im politisehen Traktat (2. Kap), oder im Tlieologisch-politisclien Traktat (16.Kap.).


F. Nietzsclie, Briefe, Franfurt/M. 1993, S. 243.
v gl. J. Israel, Radical Enlightenment, Princeton 2001, das ihn durchaus mit Blick auf die aktuelle Situation zum Ursprung der radikalen Aufklärung stilisiert.Auf die aktuellen Entwicklungen der Spinozarezeptioil kann ich hier nicht eingehen.


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@Unter Recht und Gesetz der Natur verstehe ich nichts anderes, als die Regeln der Natur bei jedem einzelnen Individuum, gemäß denen wir jedes tiaturgemäß bestimmt sehen, auf eine gewisse Weise zu existiereii und zu wirken. Die Fische z.B. sind von Natur bestimmt, zu schwimmen, die großen die Ideineren zu fressen, Lind darum bemächtigen sich die Fische mit dem vollsten iiatürlichen Rechte des Wassers und fressen die großen die kleineren. Denn es ist gewiss, dass die Natur an sich betrachtet, das vollste Recht zu allem hat, was sie vermag, d.h. dass sich das Recht der Natur so weit erstreckt, wie sich ihre Macht erstreckt. Denn die Macht der Natur ist Gottes Macht selber, der das vollste Recht zu allem hat. Weil aber die gesamte Macht der ganzen Natur nichts ist als die Macht aller Individuen zusammen, so folgt, dass jedes Individuum das vollste Recht zu allem hat, was es vermag, oder dass sich das Recht eines jeden so weit erstreckt, wie seine bestimmte Macht sich erstreckt (... ). Das iiatürliche Recht eines jeden Menschen wird daher nicht durch die gesunde Vernunft, sondern durch die Begierde und die Macht
bestimmt.@,"'5
Spinoza macht insofern keinen Unterschied zwischen »Blödsinnigen, Geisteskranken und Gesunden«, zwischen Verbrechern und Gesetzestreuen, zwischen Betrügern und Elirlichen. Die Vorstellungen von gut und schlecht orientieren sich an der Fähigkeit bzw. Unfähigkeit zur Macht- und Selbstverwirklichung, die positiven (Freude, Liebe) und negativen (Traurigkeit, Hass) Affekte begleiten sie. Assoziation und Kooperation bedeuten daher in der Handlungsdimension Steigerungen von Macht und Vermögen, Gemeinbegriffe (notio communis) in der Erkeiintnisdimension.
Wer nur ein Werk Spinozas gelesen hat, erkennt, wie weit seine konsequente Gedankenführung von dem mythischen Pliilosopliiekitscii H/N'scher Prägung entfernt ist. Einige für unseren Zusammenhang wichtige Punkte will ich anführen.
Gesellschaft: Spinoza löst Individuen, ihr Begehren nach Macht, Selbsterhaltung und -verwirklicliung nicht in Vorstellungen von Verschmelzung und Vergemeinschaftung zu Gemeinschaftskörpern auf. Im Gegenteil. Er begründet das Gemeinschafthelfe aus den Assoziationen und Vorstellungen der Individuen zur Herstellung gemeinsamer Macht. Im 18. Lehrsatz des vierten Teils der Etliik heißt es zwar, dass, wenn sich zwei Individuen dersel-


B.deSpinoza,Neologisch-politischerTraktat,op.cit.,Kap.16,S.273ff.


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