Der Professor kommt zu spät und legt sofort los. Er ist einer der führenden Spezialisten für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Sofia. Während der Vorlesung zeigt er den Studierenden Bilder von Krebserkrankungen: von kleinen, bösartigen Tumoren im Rachen und Tumoren, die sich aggressiv durch Wangen gefressen haben. Mit einem Laserpointer markiert er Melanome und stellt den Studierenden Fragen über Symptome und Diagnosen. Lora meldet sich oft, beantwortet, wie Rachenkrebs behandelt wird.
Meistens lernt Lora zu Hause: »Die Bibliothek ist uralt«, sagt sie. Es gebe einen Computerraum, da laufe Windows 98. Das älteste Buch, das sie in ihrem Studium gelesen hat, stammt aus dem Jahr 1995. »Ich finde das erschreckend, denn gerade auf dem technischen Gebiet passiert ja sehr viel«, sagt Lora.
Dass Lora ihre Heimat verlassen will, liegt auch an ihrer Oma. Sie muss im Winter eine Jacke und Mütze in ihrer Wohnung tragen, weil sie ihre Heizkosten von ihrer kleinen Rente nicht bezahlen kann. Damit es ihren Eltern später nicht so geht wie ihrer Oma, möchte Lora weg. Loras ältere Schwester lebt schon im Westen, wie sie sagt. Sie arbeitet in Barcelona, hat in Italien studiert. »Natürlich vermissen meine Eltern meine Schwester. Aber sie wissen, dass sie dort ein besseres Leben hat.«
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