Keiner sage, die Fleischskandale und –skandälchen der letzten Jahre seien Resultat eines verkommenen Ethos der globalisierungsgepeitschten Produzenten in der entmenschten Gegenwart, oder was dergleichen Romantizismen mehr sind. Was in vergangenen Zeiten der Ressourcenknappheit und kulinarischer Robustheit so alles über die Ladentheke gewandert ist... Die Zahl der Metzgereibetriebe hat sich in den letzten 50 Jahren um mehr als 80 % verringert, die Konzentration der Schlachtbetriebe ist sogar noch massiver, bei der früheren Fülle von Haus– und Hofschlachtereien war an eine effiziente amtliche Kontrolle gar nicht zu denken. Auch fehlte es am untersucherischen Know–how, da wurden stichprobenartig die Bandwurmfinnen in einer standardisierten Probenmenge ausgezählt, und bei weniger als drei war die Ware verzehrtauglich, fertig. Und die Vegetierer, oder wie die Sprossenkauer sich gerade nennen, brauchen gar nicht hämisch zu grinsen: Das Aussieben von Maden und Mäusekötteln im Mehl zählte zu den beliebtesten Tätigkeiten der Lehrlinge in Bäckereibetrieben. Wenn der Befall zu stark war, wurde halt mal ein Spritzer DDT untergemischt. Essen ist nie eine schöne Sache gewesen, immer war sie mit Blut, Schweiß, Arbeit und Scheiße verbunden. Und wenn uns heutzutage verschwuchtelte Fernsehköche die Schönheit einer Morchelpolenta preisen, solidarisieren sie sich nur auf das Ekelhafteste mit den früheren Adelskasten und den Mandarinen mit den gepflegten Fingernägeln, die stets am schöngedeckten Ende der Nahrungskette standen. Und das hochverehrte Publikum betet es ihnen nach, wobei es beim Durchkneten des Weihnachtsstollens auch mal locker ein paar hunderttausend Candida–Keime untermengt. Das ist alles kein Spaß, aber ein großes Hallo braucht deswegen auch nicht darum gemacht zu werden.
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