Ich habe in der Zeit meiner Pubertät gemerkt, dass meine Beziehung zu Eiter anders gelagert ist als bei vielen anderen Menschen. Alles begann, als ich mir vor dem Spiegel einen besonders dicken Pickel ausdrückte, der sich auf meiner rechten Wange knapp oberhalb des Mundwinkels gebildet hatte. Nach ein paar fruchtlosen Versuchen sprang der Eiterpfropf heraus und spritzte zusammen mit einer ungewöhnlich großen Menge gelblicher Flüssigkeit auf den Badezimmerspiegel. Als ich die Bescherung sah, angeleuchtet durch den heute so altmodisch erscheinenden Alibertschrank, verdoppelt durch den schrägen Blick auf die Spiegelfläche, davor mein Gesicht, in dem ein frischer Blutfaden die erfolgreiche und vollständige Auspressung markierte durchfuhr mich ein eigentümlicher Schauer. Zunächst zögerlich näherte ich wie unter Zwang meine Zungenspitze dem fast zweimarkstückgroßen putrifizierten Areal. Als erstes nahm ich den Pfropf auf; es war eine ähnliche Sinnesempfindung wie ein gutgewachsener Nasenpopel, der Geschmack jedoch war zugleich milder und astringierender, weniger salzig, voller und mit einer Beinote, die mich an Appenzeller Käse erinnerte. Plötzlich hatte ich jede Hemmung verloren und leckte den Spiegel sauber. Käsefondue, Sperma, gekochte Eier: Der Geschmack war fremd und doch vertraut, vielfältig zusammengesetzt und doch einzigartig. Noch am gleichen Tag gab ich all meine Pickel– und Peelingcremes in den Müll und hielt eine strenge Schokoladen–Pizzadiät ein. Ich verzichtete für eine Weile sogar auf die mir so lieb gewordene Onanie, weil ich gehört hatte, sexuelle Enthaltsamkeit würde das Pickelwachstum fördern. Letzteres durchzuhalten wurde mir jedoch unmöglich, denn ich merkte schnell, dass Geruch und Geschmack von Eiter mir physische Sensationen verschaffte, die mein Begehren ins Unermeßliche trieben. Obwohl meine geschlechtlichen Neigungen sich stets mehr auf mein eigenes Geschlecht gerichtet hatten, begann ich eine mehrmonatige Affäre mit Petra, einer Schülerin aus meiner Parallelklasse, die eine extrem ausgeprägte Akne conglobata ihr eigen nannte. Zunächst lief alles gut, ich war - aus für Außenstehende nachvollziehbaren Gründen - ihr erster Freund, doch irgendwann äußerte sie den Wunsch, ich habe es noch im Ohr, 'auch mal woanders als an Gesicht und Rücken geleckt zu werden'. Die Obszönität des hiermit verbundenen Gedankens stieß mich ab, ich sagte mich von Petra los und wurde für die nächsten Jahre zu einem kompromisslosen Selbstversorger. Schon bald war der Zeitpunkt gekommen, an dem mir meine täglich durch die Akne vulgaris produzierte Eitermenge nicht mehr ausreichte. Ich beschloss, mir eine Furunkulose zuzulegen, doch trotz mehrfacher selbstprovozierter Hundebisse und sträflichster Vernachlässigung der Körperhygiene ließ sich kein Abszess blicken. War es etwa mein vorausgegangener Eiterkonsum, der mich immunisiert hatte? Um vor meinen Eltern, die Verdacht geschöpft zu haben schienen, ein plausibles Alibi zu haben, erlernte ich das Skateboardfahren. Beziehungsweise, ich erlernte es eben ganz bewusst nicht. 1987 war mein großer Schürfsommer. Mein ganzer Körper, besonders Knie und Ellenbogen waren übersät von Verletzungen, aus denen der begehrte Quell nur so sprudelte: Irgendwann hatte ich nämlich herausgefunden, dass rohe Hähnchenhaut, als Bandage um die Wunden gewickelt den Vereiterungsprozeß nahezu beliebig in die Länge ziehen konnte. Welche Freude war es für mich, als ich im darauffolgenden Jahr, durch eine Zahnwurzelentzündung bedingt, eine hartnäckige Kieferhöhlenvereiterung bildete! Nun war mein verwöhnter Gaumen endlich ad fontes, wie der Lateiner sagt. Es gelang mir, den Krankheitsverlauf für insgesamt zweieinhalb Jahre hinauszuziehen, eine über die Zeit erworbene Resistenz gegen die Schmerzmittel, die ich wegen der Schwere der Infektion einnahm - ich bin schließlich kein Masochist! - brachte den Quell jedoch gezwungenermaßen zum erliegen. Es folgte eine krisenhafte Zeit: Die meinen wachsenden Bedürfnissen ohnehin nicht mehr genügende Akne war abgeklungen, das Skateboardfahren musste ich aufgeben, nachdem einige schwere Knochenbrüche das Risiko einer dauerhaften Behinderung in greifbare Nähe gerückt hatten und meine Zurückgezogenheit in die private Eiterwelt hatte mir eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit blühenden Jugendlichen fast vollständig verbaut. Doch zum Glück trat zu dieser Zeit das Internet seinen Siegeszug an. Heute bin ich, wie ich mit einigem Stolz sagen kann, Moderator des größten deutschsprachigen Forums für Eiterfreunde, des 'Creamcheese'. In diesem Forum stehen mehr als 200 Freunde des zähen Gelbsafts zum Austausch bereit und mein Begehren hat eine ungeahnte Verfeinerung erfahren. Es gibt Morgeneiter von stichfest–löffelbarer Konsistenz, mit Wundwasser angereicherte Eitercocktails für die Stunden zwischen 'blue, red and grey', und wie sich der Engländer seinen abendlichen Port gönnen mag, so sitze ich oft noch zu später Stunde über einem abendlichen Gläschen Gelbsaft, den ich seit mehreren Jahren frisch aus den offenen Beinen meines Partners zapfe, den ich im Creamcheese kennengelernt habe. Wenn ihr Lust bekommen habt, schaut mal in unserem Forum vorbei, denn, so lautet unser Motto: »Es ist noch Suppe da!«
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