Eiskratzen

Als Schömberg dieses Geräusch zum ersten Mal seit so langer Zeit wieder hörte, mußte er tatsächlich überlegen, worum es sich eigentlich handele. Seit seiner Studentenzeit hatte er nicht mehr Eiskratzen müssen. Danach stand das Auto zuerst in der Tiefgarage, dann in der des eigenen Hauses. Jetzt sah er sie wieder durch die sorgsam geschlossenen Isolierglasscheiben, im fahlen Licht der Bogenlampen. Manch einer lies verbotenerweise den Motor laufen. Sein Liebling jedoch war die die Dicke aus dem zwoten Stock links, die sich in ihrer Thermobekleidung wie ein Rollbraten ausnahm. Ungeschickt hantierte sie an der Frontscheibe ihres A-Klasse »Elchs« herum, und Schömberg hoffte jeden Morgen, daß sie mal hinfallen möge. Bei der dicken Thermobekleidung und dem dicken Speck um die Frau herum konnte ja nicht viel passieren. Schömberg stand inzwischen jeden Morgen da, hatte sogar den Wecker auf 5 Uhr gestellt, um rechtzeitig mit einer Tasse heissen Tees und einer Morgenzigarette am erleuchteten Wohnzimmerfenster zu stehen, und das Eiskratzen zu betrachten. Im lässig offenstehenden Morgenrock, versteht sich. Und wenn dann so ein Eiskratzer ihn mit bösen Blicken bedachte, dann bedankte sich Schömberg beim Lieben Gott ganz besonders dafür, ein Frührentner und Sozialschmarotzer zu sein.