Plattentalk mit Yadgar, Folge 4: Duran Duran - Seven and the Ragged Tiger
Duran Duran also. Leute mit wenig Ahnung, die für Online-Zeitungsportale die Pop-Rubriken befüllen sortieren sie heutzutage üblicherweise bei den 80er-Jahre-Boygroups ein, Musik für schmachtende Teeniemädchen, die Frontmann Simon Le Bon als Bravo-Starschnitt an der Jugendzimmerwand kleben haben, weil der ist ja so süüüüüüüß... haben die Schreiber etwas mehr Ahnung, dann ist ihnen der Begriff »New Romantics« geläufig (ein diplomatischerer Ausdruck für Popperbands, siehe auch Spandau Ballet, ABC und Haircut 100), dann fallen auch mal Namen wie Chic, Japan oder gar Roxy Music als inspirierende Vorbilder.
Als ich im Sommer 1983 meinen Erstkontakt mit Duran Duran hatte, spielten diese Hintergründe aber keine Rolle, da gab ein winziger Schnipsel aus dem Refrain der damaligen Hitsingle »Is There Something I Should Know?«, irgendwann in einer Fernseh- oder Radiowerbung für einen aktuellen Charts-Sampler gehört, den Ausschlag. Das fetzte! Mehr davon!
Das gab es dann am Silvesterabend 1983, als Dave Coleman auf WDR 2 in einer mehrstündigen Sondersendung popmusikalisch auf das vergangene Jahr zurückblickte und dabei auch »Union of the Snake« aus dem brandaktuellen Album »Seven and the Ragged Tiger« spielte - und ich mit meinem nagelneuen Ghetto-Blaster und einem Stapel mit Tesafilm zu Leerbändern umfunktionierter Schlager- und Hörspielcassetten zur Stelle war. Das fetzte so richtig! Und trug dazu bei, das insbesondere die letzte der drei an diesem Abend bespielten Cassetten (»Tajikian Charts 10«) zum Dauergast in besagtem Ghetto-Blaster wurde, allerdings auch dank solcher Juwelen wie (Progrock-Puristen bitte wegklicken!) »Owner of a Lonely Heart« von Yes, »Centerfold« von der J. Geils Band, »Swing« von Yello, »Living on Video« von Trans-X, »The Safety Dance« von Men without Hats, »Break my Stride« von Matthew Wilder und gar »Frame by Frame« von Steve Hillage.
Aber zurück zu Duran Duran. Endgültig heiß geworden auf die fünf Briten, blieb ich am Ball, was schon am 1. Februar 1984 mit »New Moon on Monday« in »Mal Sondock's Hitparade« belohnt wurde. Fetzfetz!!! Einem »Bravo«-Rezensenten fiel seinerzeit die große Ähnlichkeit des Gesangs von Simon Le Bon mit dem von David Bowie in dessen wenige Monate zuvor erschienenen (und extrem erfolgreichen) Single »Let's Dance« auf, welche mir immerhin auch schon zu Ohren gekommen war...
Da konnte ich gar nicht anders, da musste ich mir einfach »Seven and the Ragged Tiger« zulegen, natürlich als Cassette, einen Plattenspieler hatte ich ja noch keinen (und CD war 1984 sowieso noch utopisch). Im April war es dann soweit, praktischerweise gleich im Doppelpack mit »Working with Fire and Steel« von China Crisis (dazu mehr in Folge 5).
So lag ich dann an einem sommerlichen Nachmittag in den Osterferien in meinem birkenfurnierten Jugendzimmer auf dem Liegesofa, futterte Marabou-Konfekt und zog mir das 1983er Album von Duran Duran rein... und gleich der erste Track fetzte total: The Reflex! Und es fetzte und fetzte immer weiter, die ganze A-Seite lang und die Hälfte der B-Seite, lediglich zum Schluss »Tiger Tiger« und »The Seventh Stranger« fetzten nicht ganz so sehr, weil Duran Duran hier einen eher balladenhaften, getrageneren Ton anschlugen.
Was macht denn jetzt nun Duran Durans Fetzigkeit auf »Seven and the Ragged Tiger« aus? Zunächst einmal natürlich die knüppelnden Simmons-Drums (Roger Taylor), mitunter um weitere elektronische Percussion-Sounds ergänzt, dazu dann knallige Synth-Bläserriffs (Nick Rhodes) und der von John Taylor gespielte funkige Bass. Funkig? Na ja, nicht im strengen Sinne, jedenfalls hört man hier nirgendwo das für den Funk der 80er Jahre so typische Slapping. Mit meinem 1984 noch recht beschränkten popmusikalischen Hintergrundwissen hielt ich die Musik von Duran Duran jedoch seinerzeit für typischen Funk... immerhin zeigt der englische Wikipedia-Artikel »Funk«, dass mein damaliges Bauchgefühl nicht ganz daneben lag: »however, pop artists from Michael Jackson to Duran Duran often used funk beats.«
Dieses Soundgewand wird großenteils über das ganze Album hinweg beibehalten, wobei jedoch die Duran Duran-typisch zündenden Refrain-Melodien in jedem Titel immer unverwechselbar bleiben. Die bereits erwähnten »Tiger Tiger« und »The Seventh Stranger« weichen jedoch insofern davon ab, als dass ersteres instrumental ist und eher den Charakter einer Klangcollage hat, letzteres wie gesagt ein vergleichsweise schleppendes Tempo mit längst nicht so prägnanten Drums aufweist. Mir kam »The Seventh Stranger« seinerzeit wie ein Vorbote einer möglichen Weiterentwicklung von Duran Duran vor - »Notorious« war noch fern, und auch das große 1985er Band-Schisma in The Power Station und Arcadia stand noch bevor.
Dass ausgerechnet »Of Crime and Passion«, der letzte Track der A-Seite, den Stil von The Power Station vorwegnehmen soll, wie auf der englischen Wikipedia-Seite zum Album ein Kritiker zitiert wird, leuchtet mir allerdings beim besten Willen nicht ein - und ich muss den Song seit damals Hunderte Male gehört haben. Denn ähnlich wie Zara-Thustra war auch die Musik von Duran Duran im Allgemeinen und »Seven and the Ragged Tiger« im Besonderen in den folgenden dreieinhalb Jahrzehnten mein ständiger Begleiter, nicht nur, dass ich noch 1984 mir fast zwangsläufig das Debütalbum »Duran Duran« (als Re-Release von 1983, mit der außer der Reihe erschienenen Hitsingle »Is there something I should know?«, aber ohne »To the Shore« - die Veröffentlichungsgeschichte dieses Albums ist etwas kompliziert... mehr davon in einer der nächsten Rezensionen!), das zweite, 1981er Album »Rio«, das seinerzeit aktuelle Live-Album »Arena«, wie auch die Singles »The Reflex« und »The Wild Boys« zulegte, auch geraume Zeit später wuchs meine Duran Duran-Sammlung noch weiter... aber das ist noch viele, viele Rezensionen hin!
Fetzfetz!!!
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