Bescherung in der 707
(Richard Gleim)
1. Weihnachtstag, ca. 18:00 h. Ich steige in die 707. Ein Einzelsitz unmittelbar hinter einer Tür im hinteren Teil der Bahn ist noch frei, was bedeutet, dass ich ausreichend Stauraum für mein umfangreiches Gepäck habe.
Ein großer, schlacksiger Kerl mit vom Alkohol leicht gerötetem Gesicht flezt sich quer auf einer Bank, ein Bein auf der Sitzfläche. Seine Augen leuchten. Zwischen Daumen und Zeigefinger dreht er einen Bubble, den er immer wieder liebevoll anguckt. Den hat er soeben von der dunkelhaarigen Frau auf der Bank hinter ihm geschenkt bekommen. Er sitzt ihr halb zugewandt und bedankt sich mehrmals. Die Überraschung ist ihm anzusehen. »90 Meter«, antwortet sie auf eine stumme Frage. »Ich mach bei 60 Meter Schluss.« Noch einmal sagt er: »Vielen Dank. So eine Überraschung. Wer bekommt schon mal was geschenkt? Ich würd' Dir ja was abkaufen, aber ich hab alles verzischt. Merkste ja, hab gesoffen«
Dann: »Scheiße, ich hab gar keine Pumpe zu Hause. Hab ich gestern weggeschmissen. Konnte ja nicht ahnen, dass ich heute so ein Glück habe. Wie man's macht, ist es falsch.« »Ja Mist«, meint sie, »das kenn ich. Wirklich Scheiße. Haste keinen, der eine hat?« Er: »Nee, bei mir im Haus drückt keiner. Und zum Rauchen ist das ja nix« Sie: »Nee, da hast de dann nix von. Da wartest de besser bis morgen. Das musste schon drücken.. Morgen ist ja auch noch Weihnachten.«
Quelle: Mehrzweckbeutel, 27. 12. 2004
(http://www.mehrzweckbeutel.de/comments.php?id=P3282_0_1_0 )
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