Stöbers Greif schrieb am 1.9. 2000 um 21:21:03 Uhr über
Dorotheus
Haut des heiligen Dorotheus, Text 2, 1. September 2000
Die Hochwürdige Mutter Thekla Oberin war eine Klosterfrau in ihren besten Jahren, die weit entfernt von allzuklösterlicher Strenge und Eingezogenheit sich bisweilen mit ihren Schwestern in Ehrbarkeit einen guten Tag machte. Sie war großmüthig und freygebig, es fiel kein heiliger Feyertag ein, wo sie nicht am Vorabende, allen geistlichen und weltlichen Freunden des Klosters vom Bischoff herunter, Geschenke schickte, an Zuckerwerk, feiner Nonnenarbeit, Brieftaschen, Nadelküssen, gestückten Schachteln, Calotten, Priesterkragen, Schlafmützen, genehten Manschetten und andern Nonnen-Erzeugnissen, wogegen sie manchen artigen Dank empfing und von frommen Lippen manches: Gegrüßest seyst du u. Vater Unser zum besten ihrer Seele gewann. Diese ehrwürdige Mutter, die zu Schonung der zarten Finger ihrer Schwestern solche schöne Sachen aus andern Klöstern und aus Kramladen kaufen ließ und mehrere schwere Ausgaben hatte, merkte einen Verfall der Kloster-Finanzenn, und bemühte sich, als eine kluge Frau Rath zu schaffen; sie durchsuchte fleißig den Schatz des Klosters, befreyte ihn nach und nach durch den Weg der Versilberung von allen aus der Mode gekommenen Kostbarkeiten und drey Schwestern, Modesta, Crescentia und Cunegunda, ihre Vertrauten, waren gar nicht bedenklich, beym Aufsuchen und Veräußern hülfliche Hand zu leisten. Die wachsende Nothdurft und der abnehmende Vorrath führte sie in die verborgensten Winkel, in deren einem sie ein Kästgen entdeckten, darinn zu ihrem Erstaunen, nichts als eine gegerbte, wohlerhaltene, weiche Menschenhaut lag, die bey näherer Besichtigung ihr ganzes Blut in Bewegung setzte; es fand sich dabey nicht die mindeste Anzeige, kein Dokument und nichts was ihnen von der Geschichte dieses Leders hätte Nachricht geben können, nur auf den Hinterbacken waren zwey runde Stempel mit schwarzen Figuren, die sie nicht verstanden.
Der unerwartete Fund einer Mannshaut, für der sie sich anfänglich fürchtetenn, wurde in der Folge ihre tägliche Unterhaltung, sie machten sich damit so bekannt, daß sie sie auseinanderbreiteten, befühlten und endlich gar in Lebensgröße mit Baumwolle ausstopften; alles in geheim und mit einer gewissen Eifersucht, um ihren Schatz vor den andern Schwestern zu verbergen.
(Fortsetzung demnächst in diesem Theater! Bleiben Sie dran!)
Gähn
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