Dorfdisco! Je nachdem, wie DJ Reinhold Zeit und Lust hat, öffnet sie zwischen acht und zehn. Am Eingang muß man eine Mark zahlen, jetzt vermutlich einen Euro, die Garderobe ist im Preis mit inbegriffen. Das Geld kommt in eine weiße Metallkassette, wo sich im Lauf der Nacht etwa hundert Markstücke sammeln. Drinnen ist es sehr dunkel. DJ Reinhold sitzt in der allerdunkelsten Ecke. Er spielt die Charts von '90 bis '95, und wenn man will kann man dazu unter einer Glaskugel tanzen. Auf die Tanzfläche passen etwa fünfzehn Leute, doppelt so viele, wenn das Lied langsam ist. Meistens sind es nur fünf oder sechs, Frauen oder besoffene Männer. Um die hufeisenförmigen Theke steht ein altes Sofa, das mal mit rotem Leder bezogen war, aber es ist irgendwann eine Mutprobe geworden, unbemerkt ein möglichst großes Stück vom Leder abzureißen. Je größer der Fetzen, desto mutiger ist man. Jeder hat ein Stück. Also sitzt man auf dem Polstermaterial. Niemand weiß, was das Bier kostet, die Bierpreise schwanken heftiger als DJ Reinhold. Außerdem kauft man ab eins das Bier nicht selber, sondern man gibt den Typen da hinten eins aus und kriegt in einer halben Stunde eins von den Typen da hinten ausgegeben. Ab Mitternacht werden die Getränke stärker, manche spielen Saufspiele. Manche schlafen im sitzen. Man kennt sich oder ist miteinander verwandt. Niemand ist allein, nur DJ Reinhold. Wenn er besoffen ist spielt er Oldies. Manchmal wünscht sich einer ein Lied, seltener eine ganze Gruppe, und die singen dann mit oder tanzen oder beides. Die Klos sind immer tadellos sauber, aber manchmal bilden sich Menschenschlangen davor, weil nur vier Leute reinpassen, manchmal nur drei, wenn in der Kabine einer schläft. Ab zwei kommt noch einmal ein Schub neuer Besucher, die vorher in anderen Discos waren, und die müssen dann auch keinen Eintritt mehr bezahlen. Wenn man Glück hat, gibt es eine Schlägerei. Wenn man Pech hat, ist man darin verwickelt. Zwischen drei und allerspätestens fünf ist Schluß, je nachdem, wie besoffen DJ Reinhold ist. Dann geht die Musik aus, alle holen sich ihre Jacken ab und gehen nach hause, einige nach links, andere nach rechts.
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