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Ich kehrte mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen auf den gepolsterten Sitz zurück. Dort wurde ich von zwei Personen empfangen, von meinem Freund Phillipp und, zu meinem Unglück, auch Blanka. Mit ihren (oder doch seinen?) Pfennigabsätzen stolzierte sie in meine Richtung, als sie mich erkannte. Mit ihren enganliegenden, kurzen Cocktailkleid lehnte sie sich gegen meinen Sitz, ich sollte offenbar die Aussicht auf ihren Rücken erhalten. Sie sprach zu mir in ihren starken Balkan-Akzent: »Na, Ono, mein Süsser, kann ich irgendwas tun für dich«? Mir war klar, auf was sie eigentlich hinauswollte und ich antworte schnell: »Ich hab wahnsinnig durst. Kannst du mir ein Bier bringen«? - »Klar doch«. Sofort ging sie los, betonte jeden Schritt. Bis zur Bar müsste sie die Treppen runter und dort lange anstehen.
»Was ist eigentlich los zwischen dir und deinen Girlfriend?«, flüssterte Phillipp mir zu. Ich schnaufte verächtlich. »Girlfriend«, sagte ich belustigt, »ich glaube ja immer noch, das ist ein Kerl«. Phillipp lächelte, »ne, die sieht nur ein bisschen komisch aus, zuviel und falsche Schminke«. Ich war in diesem Augenblick bereit, meinen Standpunkt leidenschaftlich zu verteidigen: »Das ist mehr als Schminke. Die langen, künstlichen Wimpern, die falschen, bunten Fingernägel und die Haare, offenbar Extensions. Die Stimme klingt fast übertrieben weiblich. Dann diese Wangenknochen. Das ist entweder ein Kerl in Frauenkleidern oder das war früher mal ein Kerl oder ist beides oder sowas«. »Jedenfalls steht sie oder er auf dich, wirklich wahnsinnig«, stellte Phillipp das Offensichtliche fest.
Ich verzog mein Gesicht und er fing an zu lachen. Unsicher fuhr ich fort, »Ich habe ihn oder ihr gestern Abend im besoffenen Kopf ein größeres Trinkgeld gegeben, weil ich sie angerempelt habe oder so. Seitdem tänzelt 'es' mit dem Hintern vor mir herum, in der Hoffnung auf mehr«. Ich überbetonte das Es ausserordentlich, so als ob mein Standpunkt dadurch richtiger würde. Ich setzte mich breitbeinig hin und zündete mir eine Zigarette an, ein Rauchverbot bestand zwar, aber das nahm sowieso keiner ernst. »Und wieso nennt 'es' dich eigentlich Ono? Mir hast du dich als 'Karl' vorgestellt« - »Karl ist auch richtig. Nur, wie die Babes mich ansprechen, das entscheide immer noch ich«.
»Naja, er, sie oder 'es' ist auf jeden Fall eine Fallback-Option«, ich hatte keine Ahnung, ob Phillipp mich nur aufziehen wollte oder es wirlich ernst meinte. Blanka verfügte zwar über eine attraktive Figur, aber kam für mich einfach nicht in Frage.
Mit einem Lächeln antwortete ich, »ich brauche kein Fallback, jedenfalls nicht heute«. »Oh«, sagte er, »was bedeutet das«?
Ich erzählte: »Die Blonde von gestern Abend, die erst unten auf der Bühne getanzt und dann später hier oben die Hüllen fallen gelassen hat. Ich habe mir heute eine Art Lapdance im VIP-Room bestellt, so mit eine dieser Massagen.
Als sie grade dabei war, meinen Körper mit ihren Körper einzuölen, fragte ich sie, ob sie vielleicht später noch Zeit hätte. Sie antwortete nicht. Nach der Massage sagte ich dann: 'Süsse, ich bin geschäftlich hier, aber nicht lange. Wohne im Blue Fox. Heute Abend hätte ich frei. Du denkst nach, ich lese in deinem Gesicht. Ich sage dir etwas, ich habe Geld. Keine Angst, ich kann deine Aufwände entschädigen'. Darauf schüttelte sie ihr Haar und antwort, 'nach meinen Feierabend. Heute um 24 Uhr. Warte'. Deshalb warte ich jetzt hier.«
Nach einiger Zeit unterbrach Phillipp sein Schweigen. »Verstehe und darum wartest du hier. Kennt dich die Blonde denn mir deinen richtigen Namen«?
»Sie kennt Ono«, sagte ich langsam und leise, »und mehr braucht sie nicht zu kennen«. »Das ist wohl so eine Art von Macht. Die Dinge zu benennen meine ich oder zu verschleihern und offenzulegen. Verstehe mich nicht falsch, mir ist klar, dass deine von den Frauen hier uns je ihren echten, vollständigen Namen nennen würde, aber man setzt doch einfach voraus, dass zumindest wir Männer es genießen, mit unseren Namen angesprochen zu werden. Bei dir ist das nicht so. Du scheinst es zu mögen, die Dienstleisterin im Unklaren zu lassen. Wie so ein Dämon aus alten Sagen, der durch seinen Namen kontrolliert wird«.
Ich musste lachen. »Ono ist vielleicht ein Dämon, Karl ist einfach nur ein besoffener Idiot«. Irgendein zufälliger Hirnstrom musste im besoffenen Kopf meines Freundes herumgewandert sein. »Manchmal frage ich mich, wer eigentlich den Kalten Krieg gewonnen hat«, murmelte er, »aber die hier haben ihn mit Sicherheit verloren«. Ich verdrehte unwillkürlich die Augen und hob zum Gegenangriff an: »Ach quatsch. Das hier hat nichts damit zu tun. Die Arbeiten hier alle mehr oder weniger gegeneinander, hauen sich sprichwörtlich in die Pfanne. Der einzigen Gruppe, der ein Balkanese weniger traut als einen Ausländer, sind die anderen Balkanesen«.
Phillipp sah mich an. »Guck dir doch andere Länder an. Die schaffen doch auch einen Aufstieg«, protestierte ich. Er nickte, »mag sein, dass du recht hast«.
Als er mir zustimmte, bemerkte ich, dass es mir niemals aufs Rechthaben ankam, ich wollte eigentlich nur widersprechen. Nun, zu der Zeit war ich wohl recht aggressiv.
»Sieh mal«, sagte ich, »ich behaupte ja nicht... Eine Nation, die ständig gegen sich arbeitet, kann nicht so aussehn wie Deutschland«. Bevor mir Phillipp antworten konnte, kam schon wieder Blanka nach oben. Ich grinste, teils aus Belustigung über ihre Gehversuche mit den Pfennigabsätzen, teils über die Ironie der Situation. Ich fand es schon lächerlich, dass sie hinten zwar den Rücken freilegte, aber vorne sehr zugeknüpft war. Sie musste meine Anwesenheit wohl missverstehen. Mein Grinsen ebenfalls, sie quittierte es mit einm breiten Lächeln. Ich frage mich bis heute, auf welche Art von Typen sie damit sonst Eindruck machte. Egal, Blanka hatte mein Bier dabei und Blanka war jetzt da. Mir war das irgendwie unangenehm, Blanka fand das offensichtlich super und Phillipp amüsierte sich köstlich.
Sie stand neben dem Sitz und gab mir mein Bier. »Danke«, sagte ich, »hast du auch einen Bieröffner«? Phillipp nahm wortlos das Bier und öffnete es mir. Blanka stand daneben, ihre braunen Augen wanderten über den Sitz, dennoch blieb sie einfach neben mir stehen. Ich versuchte noch einmal, sie irgendwie loszuwerden, »geile Musik, oder? Tanzt du nicht«?
Blanka begann darauf, immer noch neben meinen Sitz stehend, hin und her zu wippen, sehr körperbetont. Offenbar hatte sie meine Aufforderung missverstanden. Keine Ahnung, ob andere Männer sie wohl gern so tanzen lassen wollten, bei mir war das eigentlich nicht so. Phillipp schien darüber sehr belustigt zu sein. Als sie fertig war oder kurz Pause machen musste, sprach er sie sogar an: »Setz dich doch«. Leider deutete er auf die Stelle zwischen uns. Die beiden stellten sich vor, Blanka nannte ihren Namen, Phillipp dagegen sagte: »Ich bin 'Klotzblock Mein Maister', aber meine Freunde nennen mich 'MeinMaister'. Das ist deutsch, kannst du das sagen, 'MeinMeister'«? »Hallo MeinMeister«, antwortete Blanka. Sie sprach offenbar kein Deutsch. Phillipp lachte als sie es sagte. Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, missverstand Phillipp wohl. »So Blanka«, fuhr er fort, »was ist so dein Typ«?
Sie antwortete nicht. »Auf welche Männer stehst du«?
»Auf Touristen«. »Touristen?«, Phillipp spielte mit ihr. »Ja, deutsche Touristen. Die sind romantisch, abenteuerlich, großzügig«, ihre Augen wanderte bei dieser Aussage zwischen uns."
Grafshop 25.01.2020
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
Rosa Edition (»Moderne Erotica«)
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