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Yahwe Mutabo schrieb am 2.12. 2005 um 13:38:40 Uhr über

Dingo

Wir hatten sie Abo und Suki getauft, die beiden zehnwöchigen Dingo-Geschwister aus dem Nürnberger Tiergarten. Schon der Transport der beiden australischen Wildhund-Welpen war abenteuerlich. Fast hundert Kilometer weit kämpften wir uns mit dem Wagen durch einen nächtlichen Schneesturm. Doch schnell war die abenteuerliche Heimfahrt vergessen: ein Traum war in Erfüllung gegangen, wir hatten nun endlich die ersehnten Dingos!

Noch ahnten wir nichts von dem, was uns noch bevorstehen sollte. Vierundzwanzig Stunden später hatte das muntere Geschwisterpärchen bereits von unserem Haus Besitz ergriffen. Eine geradezu umwerfende Neugier trieb sie zu rastloser Arbeit - es musste alles untersucht werden, was das obere Stockwerk zu bieten hatte. Zum Glück erschien ihnen die steile Treppe nach unten unheimlich, da wagten sie sich - noch nicht - herab.

Dieser Umstand ermöglichte es uns, nach und nach unsere Habe aus dem Gefahrenbereich ihrer Zähne zu bringen. Neben Auge und Nase gehören die Zähne nämlich zu den wichtigsten Untersuchungswerkzeugen eines Dingos. Es spielt dabei übrigens keine Rolle, ob er noch sehr jung oder schon erwachsen ist, diese tiefverwurzelte, das ganze Wesen bestimmende Neugier hält sein ganzes Leben an. Und was die kleine, spitzen Milchzähne der Welpen nicht kleinkriegen, holen später die kräftigen Dauerzähne nach, denn die Backenmuskulatur eines Dingo ist gewaltig!

Wenn sich diese Neugier mit Intelligenz paart, gibt es einfach keine Schranken. So hatte ich die schweren Lexika auf einem fast zwei Meter hohen Wandbord aufgestellt. Schon lange hatten die wissensdurstigen Junghunde nach diesen Bänden geschielt, konnten sie aber nicht erreichen. Bis eines Tages, nach einem Besuch, ein Sessel dicht davorstand.

Während wir die Freunde nach unten begleiteten und verabschiedeten, erkannten die klugen Hunde ihre Chance. Wir hörten ein Poltern und liefen die Treppe hoch. Sie hatten bereits acht Bände herabgeworfen! Auf dem freigewordenen Regal stand Abo und winkte freundlich mit der Rute herab.

Ein gewöhnlicher Hund wäre sofort schuldbewusst herabgesprungen - nicht so ein Dingo. Dazu ist er viel zu selbstbewusst. Abo liess sich herabheben und schleckte mir freundlich das Gesicht. Er lang überhaupt gern in meinen Armen, kam sich aber erst so richtig erhaben vor, wenn er auf meinen Schultern liegen konnte. Dies erschien ihm als der vornehmste Platz, den sich ein Dingo erobern konnte.

Abo und Suki waren bei aller rührenden Anhänglichkeit durchaus frei von Komplexen. Schimpfte man sie wegen eines Vergehens, sahen sie einen nur höchst erstaunt von der Seite an, als wollten sie sagen: »Wieso regt sich der denn so auf

Eines Tages wagten wir uns für einen Nachmittag fort und sperrten zur Sicherheit die Dingos in einem bereits weitgehend geleerten Zimmer ein. Als wir zurückkamen, empfingen sie uns voll Freunde im Flur. Es muss ihnen offenbar zu langweilig geworden sein, und so hatten sie kurzerhand - wohl in Gemeinschaftsarbeit - die eine Ecke der Tür zum Flur weggenagt.

Das ist für einen Dingo ein kleiner, fröhlicher Scherz. Übrigens war auch ein unter Strom stehendes Kabel glatt durchgebissen worden - es sah aus wie mit einer Rasierklinge durchtrennt. Ich würde niemandem raten, dies mit einer Schere nachzuahmen!

Man kann Wildhunde wirklich nicht ohne Aufsicht im Haus lassen. Deshalb richteten wir den ehemaligen Kuhstall des Bauernhofs als Aufenthaltsraum für die Dingos ein. Dort hatten sie viel Platz zum Herumtoben, wenn wir weg mussten oder keine Zeit für sie hatten. Bald hatte Abo jedoch herausgefunden, wir die schwere Tür aufzumachen ist. Ich sah ihn um das Haus rasen, zielstrebig zu den Hühnern des Nachbarn, die er durch das Kuhstallfenster beobachtet hatte. Eine Minute später legte er mit stolz eines dieser Hühner zu Füssen, offensichtlich Lob erwartend.

Also wurde die Tür besser verriegelt. Und Abo »musste« das nächste Mal eben durch das geschlossene Fenster springen - Glas gibt ja nach! Das hat innerhalb weniger Minuten wider fünf Hühnern in einem anderen Hof das Leben gekostet. Und mich eine Menge Geld.

Ich habe in der Zwischenzeit noch mehr Dingos im Haus zu halten versucht. Ich würde sagen: sie sind ungewöhnlich liebenswürdige und sehr anschmiegsame Hunde. Aber im Haus - nein! Bei aller Liebe - es geht einfach nicht.


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