Hallo Everybody! Are you gut drauf?
Ich nenne sie die »Funnies«. Warum eigentlich? »Have fun« ist das Leitmotiv der Popsongs, die sie anbeten. Aber »Have fun!« ist mehr als das – es ist auch ihr Leitstern, ihr Lebensinhalt, ihre Philosophie, das, wofür sie existieren: »Have fun!« ist ihr Gott, und Dieter Bohlen ist sein Prophet.
Es ist das große Geschäft. Dieter Bohlen wird reich dabei, die »Popstars« werden reich dabei, die Plattenfirmen, und vor allem natürlich der Sender: der Privatsender »RTL«. Dieter Bohlen: der Mann, der tausend Briefe pro Tag bekommt – und alle mit derselben Bitte: »Gib uns Daniel Küblböck, gib uns die No Angels, gib uns Robbie Williams, gib uns Pop, gib uns ›Fun‹, das Manna, nachdem wir lechzen!« Und er gibt es... Und da ist Daniel Küblböck, etwas durchgeknallt, aber sonst ein netter Junge. Und so sprüht, pfeift, quietscht und quirlt es hinaus in die Welt, 24 Stunden täglich, nur unterbrochen von Reklamen, denn RTL ist ja ein Werbesender. Welch ein Schauspiel: die Technik des Raumzeitalters im Dienste von Dieter Bohlen und Daniel Küblböck!
Nun, wie sieht die Redaktion einer Zeitschrift aus, die fünf Millionen Leser hat, die fast 100 000 Euro für die Seite Werbung verlangt, die Redaktion von »BRAVO«? So sieht sie aus, eine Zeitschrift, die sich mit ihren Lesern duzt: Das eine, was sie von ihren Mitarbeitern verlangt, ist »Kontakt mit der Jugend«, sie werden schon wissen, warum. Doch kein Posong und keine Popsängerin, ja keine Haltung und Stellung, keine Frisur oder Make-up wird gebracht, ohne das Imprimatur von Dieter Bohlen. Er hat den Riecher, er weiß von den Träumen der Jugend – nein, er träumt ihr vor, was sie zu träumen hat. Über Presse, Funk und Fernsehen dekretiert er: »So mußt du sein!«
Und in Tausenden Diskotheken Deutschlands glauben Tausende von jungen Menschen, sie selber zu sein, und spielen nur sich selber, ohne es zu wissen. Sind in Gestik und Mimik, in der Art wie sie sich langweilen und besonders in der Art, wie sie sich amüsieren, sind in der Art wie sie sich küssen und wie sie auseinandergehen, die gutmütigen Hampelmänner einer Mode, die ihnen bis in ihre geheimsten Gefühlsregungen hinein vorschreibt, wie sie sein müssen. Das ist »Macarena«, der neueste Modetanz, der zwar etwas weniger isoliert, aber nicht weniger asexuell getanzt wird als der Discofox und seine Spielarten. Das Erstaunlichste aber bei dieser Selbstvergötterung der deutschen Jugend ist die Talentlosigkeit ihrer Idole. Darum drängt mit Recht alles, was drei Noten singen kann, zum Plattenmarkt. »Hello Everybody!«, das heißt: Was ich kann, kannst du auch, Kamerad! »Das bin ich!« Sie können es kaum glauben, daß ihre Träume in Erfüllung gegangen sind – heute im Fernsehen, morgen vielleicht schon triumphierend vor den Blitzlichtern der Fotografen, und übermorgen ... aber nein, das nicht, dazu gehört ja Persönlichkeit!
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