Ich komme von der Grenze, aus dem Saarland. Vier mal im 20. Jahrhundert haben wir die Staatsangehörigkeit gewechselt, und aus unserer Sicht war es eher Zufall, daß wir dann doch bei Deutschland gelandet sind - dem »Reich«, wie wir heute noch gerne sagen. Die Hälfte meiner Verwandten sind Franzosen. Unsere Familie hat enorme Tradition im Lebensmittelschmuggel. Je nach politischer Großwetterlage wanderten die Kaffeebohnen, die Würste und Speckseiten in unterschiedlicher Richtung über die grüne Grenze, die niemals wirklich eine Grenze war für uns. Der größte Held unserer Familie war ein französischer Soldat, der sich 1940 als einer der ersten der freifranzösischen Armee von de Gaulle anschloß. Er war Offizier der Ehrenlegion, ein offizieller Held, der seit 1946 einen gigantischen Ehrensold erhielt, nie mehr arbeitete, und in seinem Alpenstädtchen, in dem er sich zur Ruhe gesetzt hatte, der absolute King war. Übrigens war er gebürtiger Pole, und sein ebenso polnischer Bruder war mein Taufpate, den ich sehr liebte. Auch er war Franzose.
Vaterland ? Nation ? Staat ? - »Geh fort mit dem Zeuch!« sagte man bei uns. Zu oft hat man uns zwingen wollen, auf unsere Verwandten zu schiessen, oder von ihnen erschossen zu werden, als daß noch so ein Popanz Anspruch hätte, ernst genommen zu werden.
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