(...) Carlos Verhalten wurde unverzüglich zu einer gewissen Nachahmung der hastigen Leistung einer Nutte, die nicht zugeben darf, daß sie das, was sie macht, außer für Geld auch zum Vergnügen macht. Würde sie ein gewisses Vergnügen verraten, könnte sie anschließend kein Geld mehr verlangen. So kniete sich Carlo, ohne es eigentlich vorbereitet zu haben, vor Sandro nieder und wartete abwesend und beinahe ausdruckslos darauf, die Sache hinter sich zu bringen, die dem Burschen so sehr am Herzen lag: und zwar nicht nur gekonnt hinter sich zu bringen, sondern auch mit einem gewissen komplizenhafte Eifer. Doch in jenen Jahren hatten Jungs ein kodifiziertes und damit allgemeines Verhalten, auch für ein so privates und persönliches Gefühl wie die Schüchternheit. Natürlich handelte es sich dabei um eine oberflächliche und leicht zu verbergende Schüchternheit. Sandro, der einen ganzen Kopf größer war als Carlo und ziemlich stark, mußte allerdings wesentlich jünger sein als er aussah: wahrscheinlich war er gerade erst sechzehn: und so funkelte das Lächeln in seinen Augen nicht nur mit dem Ausdruck eines kleinen Jungen, sondern auch mit dem Ausdruck eines kleinen Jungen mit guten Manieren, die die Mutter ihm beigebracht hat: eine Mutter aus dem Volk, daher besteht die gute Erziehung natürlich in einer instinktiven und gut verwurzelten Liebenswürdigkeit. Diese mütterliche Liebenswürdigkeit kam in allem zum Vorschein, was Sandro tat und wie er sich bewegte. Sie haftete an ihm wie ein Geruch. Außerdem wirkte auch seine Kleidung, die schlichte Hose und das schlichte T-Shirt, als wäre sie auf einem kleinen Markt gemeinsam mit der Mutter vom Haushaltsgeld gekauft worden. Als er sah, daß Carlo sich nicht rührte, sondern gehorsam und willig wie ein Schaf wartete und keine Initiative ergriff, begann Sandro mit den 'kodifizierten' Bewegungen seiner Schüchternheit, sich die Hose aufzuknöpfen, wobei er seine Verlegenheit – auch sie sehr oberflächlich – hinter einer Art mürrischer und etwas überheblicher Hast verbarg. Zunächst beschränkte er sich darauf, die Hose aufzuknöpfen, um, die Hand in die Öffnung schiebend, den Schwanz herauszuholen, der in dem blauen Slip offensichtlich ungeheuer eingezwängt und unbeachtet saß: und weil er ihn so nicht herausholen konnte, öffnete Sandro mit einer noch mürrischeren und noch hastigeren Bewegung den Gürtel und zog die Hose bis zur Leiste herunter. Jetzt konnte der Schwanz aus dem Slip geholt werden. Und der Grund, weshalb er vorher nicht herausspringen konnte, war einfach: er war prallhart. Deshalb schämte sich Sandro wieder ein bißchen, denn er hatte seine unschuldige, jungenhafte Lust erkennen lassen. Aber auch dafür hatte er ein Lächeln und eine schlagfertige Bemerkung 'parat': er lächelte voller Freude und sagte: »Da steht er schon«, und gleichzeitig streckte er eine Hand aus, mit der er Carlos Nacken leicht berührte, um ihn an sich heranzuziehen. (...)
Pier Paolo Pasolini: Petrolio; Berlin 1994, S. 246-247
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