Ihr Sommer in Davos,ihr Leben in jener Jugendstil-Veranda,wo man Heu roch und Eichhörnchen sah,war sicher nicht leicht.Es ging Julika wie scheinbar den meisten Neulingen dort oben:nach einem allerersten Entsetzen,nach zwei oder drei Nächten,wo sie sofort auszubrechen beschlossen hatte,und nach dem grauslichen Gefühl,als wäre es jedesmal eine Vorbereitung zum Sterben,wenn man sie in ihre Wolldecke wickelte und auf die immergleiche Veranda rollte,gewöhnte sich Julika unversehens an diesen anderen Alltag,ja,sie genoß es sogar,einmal nichts mehr zu müssen,überhaupt nichts.Ruhe war das einzige,was von ihr verlangt wurde.Julika genoß es wie schon lange nicht mehr,auf dieser Welt zu sein.Es war gar nicht so fürchterlich,dieses Davos,es war ein Tal,wie Täler halt sind,grün,friedlich,etwas langweilig vielleicht,ein Tal mit steilen Wäldern und flachen Matten,da und dort miit einer steinigen Runse,eine Landschaft,nichts weiter.Der Tod ging nicht als knöcherner Sensenmann umher,nein,da wurde nur Gras gemäht,Heu duftete herauf,Harz herüber vom nahen Wald,irgendwo verzetteleten sie Mist,und in den Lärchen vor ihrer Veranda turnte ein neckisches Eichhörnchen.
Max Frisch,Stiller,s.113
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