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Poldi, der Ausbeuterfabrikarbeiter schrieb am 28.3. 2006 um 19:06:44 Uhr über

Darstellungen-der-Philosophiegeschichte

Mein Name ist Poldi! Folgendes ist mir im Herbst, fast war es schon Winter, des Jahres 2001 passiert. Ich wohnete im katholischen Studentenwohnheim zu Erlangen und ich stellte mir DIE-SINNFRAGE. Ich ging so eines Donnerstags in den Bus, der zum Lorlebergplatz fuhr. Auf halbem Wege der Fahrt stand ich auf und schrie auf eine alte Frau ein: »SAU SAU SAU SAU AAAAAAAAAAAARGH!!!!!!« Dann schlug ich zu.
Immer und immer wieder! Die Fensterscheibe des Busses: überall rote Flecken, der ekelhafte Rotz der Schabracke flog ihr nur so aus den Nasennebenhölen. IGITTT! Ich wischte mir die Hände am Rock des herbeieilenden Schaffners ab!
»WAS TUN SIE DA????«. »Ich entwerfe eine neue Philosophie, ich schwebe über goldenen Kuppeln, ich zerfetze Königreiche mit einem Streich...« sagte ich betont gelassen, auch wenn ich natürlich etwas kurzatmig war, wegen der Tracht Prügel, welche ich gerade der Oma verabreicht hatte, die nun röchelnd auf dem Boden lag.
Der Schaffner wollte mich packen, doch ich kitzelte ihn ein wenig mit dem zuvor von mir aus der Halterung entnommenen Nothammer und schwang mich aus der Schwingtüre des Busses.
Omnibus, omnibus... rief ich, als ich noch einmal meinen Blick auf den weiß-roten Stadtbus zurückwarf. Wie schön. Ich ging in eine Wirtschaft, die zufällig am Platze lag, und bestellte mir ein Schnitzel. Am Nebentisch war gerade, wie dies oft so ist, ein Gespräch im gange. Ich lauschte eifrig, wie sich zwei ältere Herren über die Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst unterhielten. Welch weise Männer! Dann kam mein Bier. Ich schüttete es meinem Nebenmann am Nebentisch ins Gesicht und schlug dem anderen das nun auf diese Weise seines Inhalts entleerte Glas über den Kopf, so dass die feinen Splitter wie ein eisiger Hauch durch den Raum stoben. »Juhuuu! Ich bin frei!«, frohlockte ich und warf mich aus der Tür. Auf dem Bürgersteig grüßte ich einen Polizeiobermeister. Er grüßte nicht zurück. Aber es war mir gleich. Sollte er doch machen was er wollte, der unfreundliche Zeitgenosse. Gerade um die Ecke gebogen warf ich eine junge Frau von ihrem Fahrrad, und machte mich damit auf zum geisteswissenschaftlichen Hauptgebäude der Universität, um ja nicht eine der dort gewisslich zu dieser Unzeit stattfindenden Vorlesungen zu verpassen. Leider fuhr ich auf der Kochstraße auf einen langsam vorbeifahrenden PKW auf und rollte, geschleudertermaßen, über eine rote Motorhaube, so daß ich auf unbequeme Art und Weise auf dem rauhen Asphalt niederkam. Bevor die Fahrerin aussteigen konnte flüchtete ich auf die Treppenterrasse des nahen Universitätsgebäudes zu. Ein Betongebäude, sechs Stockwerke, fröhlich beengend in seinem Inneren, auf herzliche Art teilnahmslos von außen. Ich warf mich in die Drehtür. Im Inneren war es, obgleich die Wände des großen Eingangsbereich zum größten Teil aus nichts als Glasscheiben bestanden (auf diese würde ich noch zurückkommen, so dachte ich mir) dunkel, noch zumal es draußen gerade zu regnen anfing. Ich lies meinen Blick schweifen. Es hatte gerade die Hälfte der Stunde geschlagen, also war niemand zu sehen. Nur ein junger Mann von verstörender Magerheit und Fahlheit saß am weiten Ende der Halle vor dem Durchgang zum Treppenhaus zu den Räumen der verschiedenen Institute auf einer Bank gegenüber einer der vielen Wände jenseits der großen Glasscheiben, welche mit zahllosen Zettelchen tapeziert waren. Sein dürres, von Akne gezeichnetes Gesicht lief in einer beträchtlichen Nase aus, an deren oberen Ende sich zwei stechende, zu eng beisammen liegende braune Augen trafen. Sein fettiges halblanges Haar, von welchem unmöglich zu sagen war, ob es nun braun, dunkelblond oder gar schwarz war, hielt sich, gegen eine strarke Tendenz in die senkrechte ankämpfend, mühsam im Seitenscheitel, die Wangen stachen grotesk unter großen Augenrändern hervor. Er zog an einer Zigarette.
Er sah traurig aus. Also beschloß ich, ihm eine Freude zu machen und mit einem gezielten Schlag die Nase zu brechen. Ich eilte auf ihn zu und schüttelte meine Faust. Als ich zwei Meter vor ihm zum stehen gekommen war, um mich genügend in einer langen Ausholbewegung auf den Schlag vorzubereiten, blickte er auf und sah mich an.
Seine Lieder waren halb geschlossen, dennoch hatte sein Blick etwas unangenehm stechendes. Ich erstarrte. Er stand auf, seine weiten, wohl nicht ganz billigen aber an seiner Gestalt nicht besonders modisch aussehenden Hosen machten zusammen mit dem Faltenwurf seiner dreckigen und angeschabten Polyesterjacke ein eindringendes Geräusch. Fffffffft. Er sah mich mit müder Eindringlichkeit an. Seine Nasenwurzel legte sich in Zornesfalten. Ich fing verlegen an zu lächeln und nahm die Faust hinter meinen Rücken. Vielleicht könnte ich ihn ja so täuschen.
Er inhalierte tief, und drückte die Zigarette auf dem Boden aus (dies war noch bis vor kurzer zeit Usus an der Fakultät). Ich fühlte, wie ich gleichermaßen erstarrte. Ich tat die Faust in meine Jackentasche. Da hob er an. Er sprach leise, doch seine Worte schienen in der Halle wie in einer Echokammer anzuschwellen.
»Was erhebst du deine Faust gegen mich? Weißt du nicht wer ich bin! Bist du ein Narr? Sieh mich an! Ich bin Höflich! Ich verachte die Kunst! Nicht die Menschen verachte ich. Ich verachte die Kunst! Ich werde ihr das Grab bereiten. Ist einmal keine Kunst mehr, so werden alle Menschen glücklich seinMir wurde unwohl. Doch gleichsam fiel der ganze Wahn von mir ab, der mich seit dem Aufstehen an diesem Tage begleitet hatte. Ich blickte zum Boden und sah das Blut der alten Frau auf meiner Hose. Er fuhr fort. »Blut? Hast du... einen Menschen verletzt? Irrsinniger. Geh nach Hause und wasche dich. Ich will dich hier nicht mehr sehen. Deiner gibt es zu viele, als daß ich mich an euch erfreuen könnte. Geh nun. Ich muß freudlos weiter nachdenken auf meiner Bank!«. Er wandte sich ab, und setzte sich wieder auf seine Bank, sein Gewand raschelte abermals. Ich wurde rot, drehte mich um und lief durch die dunkle Halle, durch die Drehtür hinaus in den Regen. Wie benommen ging ich die diversen von Treppen durchbrochenen Terassen hinunter zur Kochstraße. Als ich neben ihr auf dem Bürgersteig zum Fußgängerüberweg lief, gingen hinter mir in der Eingangshalle des Universitätsgebäudes die großen Lichter an, weithin sichtbar durch die Glasfassade des Gebäudes. Ich jedoch sah es nicht, da ich mich auf dem Weg zu meiner Wohnung lange Zeit nicht mehr umdrehte. »Gladius Dei..., der Mann ist geradezu das Schwert Gottes...unglaublich...« dachte ich bei mir, als ich die Tür des Vorderhauses aufschloss. Ich war todmüde.


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