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Zitata: Und nun: Wollen Sie wissen, ob der Dadaismus noch lebt? Er lebt und wirkt - wie die Heilsarmee - am häufigsten im Verborgenen und tritt von Zeit zu Zeit immer in einer anderen Gestalt ans Tageslicht. Der Gedanke, daß Dadá überhaupt einmal sterben könnte, ist unsinnig. Dadá tritt immer von neuem in Erscheinung, so oder anders, immer, wenn sich zuviel Dummheit angesammelt hat. Die Tragödie eines jeden Wachsens ist wohl, daß es in sich zugleich den Todeskeim trägt; und einmal wird alles alt mit Ausnahme von Dadá. Bei uns in Deutschland ist der Dadaismus jetzt nicht mehr so notwendig, wie im Jahre 1918. Jetzt leben und schaffen die Künstler im Geiste der Zeit, im Geiste von 1924. Dadá bereitete ihnen den Boden und leistet ihnen auch heute noch Hilfe. Ich denke hier, um nur einige Namen zu nennen, an Leute wie: Lissitzky (Hannover, Ambri-Sotto), Burchartz (Bochum), Moholy, Gropius und Meier (Weimar), Mies van der Rohe, Richter (Berlin), Schwitters (Hannover) und viele andere. Es existiert ein >junger< 1924er Dadaismus, im Jahre 1918 existierte nur ein >alter< 1918er. Damals, da mußte >Dadá< sich mit allen streiten, in der Hauptsache mit dem Expressionismus, der sich damals gerade in einem chronischen Darmkatarrh befand. Heute ist der Expressionismus schon lange tot und die Kunstzeitschriften feiern sein Begräbnis. Zuweilen finden prachtvolle Begräbnisse statt. Welch riesige Massenaufregung erwirkte Huelsenbeck, als er 1919 den Dadá von Zürich nach Berlin verpflanzte. Ich erwähne hier Namen wie: Hausmann, Baader, Walter Mehring, Wieland Herzfelde, John Heartfield, George Grosz. In Köln entstand ein neues deutsches Zentrum des Dadaismus, das sich >Gruppe Stupide< nannte. Dort waren nämlich: Max Ernst, Anton Räderscheidt, Heinrich Hoerle, Baargeld. In Hannover gab es außer mir noch Christof Spengemann und Hans Arp, einen der vier Pro-Dadaisten, der von Zeit zu Zeit die deutschen Kameraden besuchte und es auch jetzt immer noch tut. Darüber hinaus habe ich nichts von dadaistischen Erscheinungen in Deutschland gehört. Nach 1918 grassierte hier an Stelle eines Dadaismus einige Jahre lang ein allgemeiner, sehr aggressiver und revolutionärer Expressionismus, solange die Revolution in Mode war. Infolgedessen verhielt sich auch der Dadaismus in Berlin revolutionär. Aber während der Expressionismus gefallsüchtig revolutionäre Grimassen schnitt, vollbrachte der Dadaismus revolutionäre Taten, um so kräftiger zuzuschlagen. Huelsenbeck, einer der klügsten Köpfe unseres Zeitalters, war sich genau darüber im klaren, daß in jener Zeit nichts besser die verfetteten Seelen aufrütteln konnte, als der Kommunismus. Aus diesem Grunde wurden Dadákommunistische Manifeste herausgegeben, Als Hauptforderung wurde z. B. herausgestellt, daß alle geistig schaffenden Menschen auf dem Potsdamer Platz ernährt werden sollten. Vielleicht ist das ein Beweis dafür, wie wenig es solcher Menschen geben muß! Von den Dadaisten war der typischste Dadaist im Leben Hausmann. Er liebte es, mit jedem Menschen entsprechend seiner Gemütsart durch Widerspiegelung gerade seiner allerheiligsten Gefühle umzugehen. Baader wanderte mit seinen Programmen von einem Ort zum anderen und brachte den Menschen in seiner Person den Präsidenten des Erdballs. Einer der befähigtesten Künstler und Dadaisten war Baargeld. Er kam wie ein Mädchen aus dem Süden, erstrahlte und leuchtete nur für einige Minuten auf wie die Königin der Nacht. Seitdem Max Ernst nach Paris ausgewandert ist, herrscht in Köln Totenstille. In Berlin sind von sämtlichen Dadaisten nur Hausmann und Baader übriggeblieben. Huelsenbeck praktiziert als Arzt, Grosz schuf eine radikale politische Formel (im Dadaismus hatte er niemals einen lebendigeren Anteil); für ihn war Dadá wohl für kurze Zeit ein politisches Kampfmittel, umgekehrt wie bei Huelsenbeck, für den der Kommunismus ein dadaistisches Kampfmittel war. Walter Mehring wird heute mit Recht als einer der besten Coupletdichter bewundert; nur vom Dadaismus kann hier nicht mehr die Rede sein. Und Herzfelde, ehemals John Heartfield, ist heute der bürgerliche Leiter des bürgerlichen Verlages >Malik< und verachtet den Dadaismus 1924. Endlich Baader, der seinen prächtigen Bart abrasiert hat und nicht mehr wie Christus aussieht, sieht nicht mehr genial aus, sondern nur noch so ein bißchen sächsisch. Nur Hausmann und ich betreiben in Deutschland noch den Dadaismus, machen Propaganda, veranstalten >Dadá<-Abende. Hausmann ist sehr klug, sehr phantasiereich sehr künstlerisch. Er ist aber Dadaist. Hausmann ist, ob er schreibt oder schafft, ob er wissenschaftliche Kombinationen entwickelt oder malt, ob er modelliert, vorträgt oder referiert, ob er singt oder tanzt, ob er will oder nicht, er ist immer und überall ein lebendiger >épater le bourgeois<. Auch Hans Arp, der nicht in Deutschland, sondern im Lande der Gletscher lebt, ist wirklich Dadaist und wird es auch immer bleiben, denn er kann gar nichts anderes sein. Quelle: Kurt Schwitters. Der Dadaismus. 1924. Zitiert nach Friedhelm Lach (Hg.): Kurt Schwitters
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