Als ich das letzte mal einen Entzug auf eigene Faust Wagen wollte, so um den Monatswechsel Januar/Februar, kurz vor dem Tinnitusdesaster, ist mir das schlecht bekommen. Ich hatte schlicht Angst vor jedem, und - vor allen Dingen - vor allen Dingen(!)
In der zweiten Woche bin ich alleine mit der U-Bahn zum großen, zum riesigen Möbelhaus gefahren, und habe mir, unter größter Furcht, einen hellblauen kleinen Beistelltisch gekauft. Zuhause angekommen, habe ich ihn ausgepackt und zusammengeschraubt, und im drei Meter hohen Gruselzimmer mit fast noch höheren Fenstern, eine Gruft mithin, an die totenweiße Wand neben allerlei Krimskrams gestellt.
Sofort bin ich fünf Schritte zurückgewichen. DAS BLAU! DAS BLAU!!! DAS LEUCHTENDE HIMMELBLAU!!! Inmitten tönernbrauner Bodendielen und Naturholzfarbenen Fichtemöbeln! Mein Herz wurde förmlich zugeschnürt vom Anblick. Viel hätte nicht gefehlt, und ich wäre beinah weinend zusammengebrochen! DER HORROR! DER SCHRECKEN!!! Wie eine obszöne Todesdrohung stand nun der Tisch am anderen Ende des Zimmer, und ich war rücklings in den hellholzenen Stuhl gefallen. Draußen war es finster, grau, fast schwarz. Schwärze fiel durch die höhnenden, abertausenden Kastanienblätter vor meinen schmalen und hohen Fenstern, die bleiche Hausfassade auf der anderen Straßenseite schien mir durch ihre zahllosen finstren Augen Verwünschungen in meine Kammer zu rufen, die gräßlichen Gesimsakrotere und ihr König und Kaiser, ein fürchterliches, riesiges Löwenmaul auf dem Giebelkranz des obersten Fensters in der Mitte des vierten Stockes, schienen listig auf mein tödliches Verderben zu sinnen. Ich stöhnte, würgte, sah an die hohe Decke - und packte den Tisch sofort wieder in den Karton.
Am nächsten Abend habe ich einen Bekannten mit der Aussicht auf einen günstig abzugebenden Beistelltisch erfreut...
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