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Voyager schrieb am 26.2. 2004 um 15:38:31 Uhr über

Chemotherapie

Eine meiner Lieben hatte vor Jahren einen extrem selten auftretenden Krebs, gab es wohl bisher nur rund zwanzig Mal weltweit. Vorweg, sie ist die erste, die es überlebt hat. Ich kann mir den medizinischen Ausdruck nicht merken, Turbokrebs hab ich den genannt, weil sich die Zellen binnen 24 Stunden jeweils ums x-fache vermehren. Es fing relativ harmlos an, indem der Krebs selber schon im Frühstadium diagnostiziert war und deswegen eine Operation vonnöten war. Alles kein Problem, hiess es, das geht schon gut. Nun hat es dieser spezielle Krebs aber an sich, nach einer Operation quasi im Körper zu explodieren, so als verstreute er sich überall wie ein Virus. Plötzlich ging es um eine Lebenserwartung in Tagen gerechnet. Bis auf zwei, drei Ausnahmen waren alle inneren Organe befallen. Das war schier unglaublich, hätte ich nicht die Röntgenaufnahmen gesehen, zwischen denen nur zwei Tage lagen. Es hat erstmal eine Weile gedauert, bis die Ärzte herausgefunden hatten, mit was genau sie es da eigentlich zu tun hatten - fündig wurden sie dann, auch Dank Internet, in den USA. Alle bisherigen Chemotherapien und anderes hatten keinen Erfolg gehabt. Die Ärzte haben dann irgendwas an Chemotherapie ausgetüftel, von denen sie selbst nicht sicher waren, ob das für einen Menschen überhaupt zumutbar wäre. Nicht unkritisch sehe ich dabei, dass anscheinend das relativ junge Alter (Anfang 30) den entscheidenden Ausschlag gegeben hat, diesen speziellen Chemiecocktail trotz aller Risiken und ethischen Bedenken auszuprobieren. Die folgende Zeit war der Hammer, das ist nur schwer in Worte zu fassen, sowas erfährt man nicht alle Tage. Es war für mich extrem schwierig zuzuschauen, wie da ein Mensch an dem mir soviel liegt, den ich liebe, sich in eine lebende Leiche zu verwandeln scheint. Ich war sehr froh, dass noch viele andere da waren, Familie und Freunde, und untereinander abgesprochen wurde, wer da wann zu Besuch fährt und wie lange bleibt. Sie wollte und sollte nicht wochenlang in diesem isolierten Zimmer alleine sein. Immer wenn ich auf Station kam, war einer von den anderen Patienten gestorben, den ich letztens noch voller Hoffnung angetroffen hab. In das isolierte Zimmer selber durfte ich nur mit Mundschutz, Handschuhe und einer Ganzkörpermontur - es durfte nicht ein Keim von draussen mit reingenommen werden. Naja, war ne schlimme Zeit, ist gute 10 Jahre her. Inzwischen gilt sie als Tumorfrei und die Raucherei hat sie auch wieder angefangen.


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