Noch eine kleine Weile... Ein paar letzte Dokumente, Unterschriften, Gespräche... Wenn das nicht so einen gewissen Beigeschmack hätte, würde ich einfach sagen: Mitte nächster Woche dürfte alles in trockenen Tüchern sein, diese grauschwarze vortestamentarische Sedisvakanz zwischen mori und dem habemus an ein Ende gekommen sein, und dann —? Werde ich meinem Ziel mit Siebenmeilenstiefeln entgegengeschritten sein, ein Leben zu führen, das sich vor allem in der Inszenierung gewisser privater Details durchaus an der fiktiven Person des Palamede Charlus zu orientieren bemüht sein wird, begünstigt durch den Umstand, daß mein Aufwachsen in dieser neuen und in zentralen Fragen liberaler gesonnenen Zeit mir zugleich jene letzte Ehrlichkeit ermöglichen wird, die diesem Fürstensproß aufgrund der Konventionen zu leben verwehrt bleiben mußte. Abgesehen von der vornehmen Abstammung und eben vielleicht doch noch seiner, Charlus', einen oder anderen Kontonull mehr kann ich es mir erlauben, jede Facette meiner Existenz ohne Rücksicht auf Bindungen an Rang oder Familie auszuleben, was vermutlich im Resultat weit weniger spektakulär ausfallen wird, als es jetzt klingt. Doch statt des zuerst erwogenen Futonbetts wird es vermutlich nun doch eines mit Metallrahmen werden, da ich mir in näherer oder fernerer Zukunft durchaus vorstellen könnte, an ihm einige lustbetonte Arretierungen vorzunehmen. Und sogar ein flüssigkeitsabweisender Überwurf scheint mir plötzlich nicht mehr wie eine Marotte obskurer Dunkelmänner. Für einige geburtsschwere Momente habe ich in mein Herz schauen können und ich habe darin Himmel und Höllen in fröhlichster Gemengelage gefunden. Diese künftig mühsam geschieden zu halten, fällt mir nicht im Traum ein. Ich will mal katholischer Ledermann, mal Internetstammgast in Baden–Baden sein, im Armani bei McDonalds essen gehen und eine spermatriefende Seidenunterhose im Orgelkonzert tragen. Ich will die Alten und die Jungen nicht schonen, sie alle lieben für einen Augenblick, um sie dann im Bernstein einer Assoziation zu vergessen, Ich werde behutsam sein wie ein reißendes Tier... Mein Leben hat die ersten 40 Jahre in den Händen einer Treuhand geruht. Jetzt werde ich es in Empfang nehmen und die angelaufenen Zinsen an Begehren werde ich bedenkenlos verprassen, es bliebe mir noch immer das Kapital der echten Liebe, das ich hoffentlich auch weitere 40 Jahre nicht angreifen werden muß.
|