Hans Callmeyer war ein SS-Offizier, ein Jurist. Als Angehöriger des für die Niederlande zuständigen Rassenamtes hat er mit geschickter Auslegung der Rassengesetze und ziemlich fragwürdigen Gutachten abertausende von Juden vor den Gaskammern gerettet. Es war ein stiller Held, am Schreibtisch und völlig bar jedes Glamours und jedes Cowboytums, daß wir so mit der Person des Helden verbinden. Und er war in der schrecklichen Lage, immer wieder auch Juden in die Gaskammer schicken zu müssen, um seine prekäre Stellung halten, sein Rettungswerk fortsetzen zu können. Er hat nie ein Aufsehens darum gemacht, ist immer still geblieben - er befürchtete wohl zurecht berufliche Nachteile als im Nachkriegsdeutschland selbstständiger Rechtsanwalt. Nur die Juden haben ihm in jenem Hain der Gerechten ein Bäumchen gepflanzt, und sich vor ihn gestellt, als er in den sechziger Jahren von der bigotten Justiz allen Ernstes angeklagt worden ist - wegen dieser von ihm nicht verhinderten Tötungen. Verurteilt worden ist er - eben aufgrund der israelischen Intervention - natürlich nicht. Aber schon die Tatsache des Verfahrens ist eine Schande für die Bundesrepublik Deutschland.
Niemand kennt Callmeyer auch heute, niemand will etwas von ihm wissen - obschon er wahrscheinlich derjenige war, der persönlich die größte Anzahl von Juden gerettet hat - ein Vielfaches der Anzahl von Leuten auf Schindlers Liste.
Callmeyer ist zu trocken, zu nüchtern, ein Schreibtischretter. Und er hat Morde zugelassen, um noch mehr Morde zu verhindern, dem Schrecklichen tiefer ins Auge gesehen, als man es sich vorstellen will. Und gerade deshalb ist es interessant, sich mit ihm zu beschäftigen - und ihn zu ehren. Denn er hat weitaus mehr getragen, als so manch andere Gedenktagshelden, hat über Jahre lang jeden Tag mit dem Teufel um das Leben von tausenden und um seine eigene Seele Schach gespielt.
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