Wer glaubt, der Christopher Street Day hätte noch irgendetwas mit einer politischen Demonstration zu tun, liegt schon mal völlig daneben. Mal abgesehen davon, ob die Schwulen im Stonewall damals wirklich so rebellisch waren, wie es dargestellt wird. Wenn ich mir jedenfalls die heutige Szene so ansehe, kann ich mir es kaum vorstellen. Wirklich etwas verändert haben Einzelkämpfer wie Harvey Milk oder Alexander Ziegler, die eher einen Gedenktag verdient hätten.
Dementsprechend fällt auch der CSD aus. Schön, man kann hoffen, noch nette Leute zu treffen, die nicht auf Bummti-Techno-Dröhne und schrille Klamotten stehen. Man kann vielleicht einen schönen Tag genießen und sich freuen, dass sich Millionen von Zuschauern überhaupt für Schwule interessieren und sie nicht ignorieren oder verprügeln, wie es in Osteuropa geschieht. Aber sonst ist es Karneval, das konnte die Community schon immer bestens. Wie beim Karneval ist auch beim CSD alles von einem Festkommitee vororganisiert und von Werbepartnern gesponsert. Wie beim Karneval wird das Motto von oben vorgegeben, und meist ist es irgendein weichgespülter Allgemeinplatz. Wie beim Karneval ist es auch das Die-jährliche-Sau-rauslassen: Was die übrige Zeit gesellschaftlich tabu ist, darf man am CSD bis zum Abwinken machen. Wenn das Fest vorüber ist, ziehen sich wieder alle in ihr rosa Ghetto zurück, und »schwul« bleibt immer noch ein Schimpfwort.
Ich beziehe mich vor allem auf den CSD in Köln, aber ich glaube kaum, dass man bei anderen CSDs anders drauf ist. So lief beim ersten CSD in Düsseldorf seinerzeit ein Häufchen Tunten mit LTU-Fähnchen über die Straße. Das war's! Tolle emanzipatorische Botschaft: Mit dem rosa Jet zum Rudelbumsen nach Ibiza!
|