Pressestimmen zur Kohl-Affäre
Handelsblatt (Düsseldorf): Hartnäckig hält sich in der CDU dieser Tage ein Missverständnis: Nur wenn Helmut Kohl weitgehend ohne Schrammen aus der Spendenaffäre herauskomme, könne auch die Partei die Angelegenheit unbeschadet überstehen. Das ist die Meinung einer Parteimehrheit, zutreffend ist sie nicht. Noch starren sie im Präsidium auf den Ehrenvorsitzenden wie das Kaninchen auf die Schlange, statt endlich Aufklärung zu fordern. Nur vereinzelte Stimmen verlangen von Kohl Rechenschaft. Es fehlt an breiter Unterstützung; zu groß ist die Angst, es könne die CDU zerreißen, zu groß auch immer noch die Angst vor dem Altkanzler. Die CDU muss sich von ihrem Ehrenvorsitzenden emanzipieren.
Süddeutsche Zeitung (München): Angesichts der homöopathischen Dosierung der Geständnisse Kohls und angesichts der im Bundeskanzleramt verschwundenen Akten erscheinen selbst aufrechten Christdemokraten Vorwürfe, die sie noch vor ein paar Wochen als Hirngespinste des politischen Gegners abgetan hätten, als reale Besorgnis. Das System Kohl könnte sich als Hydra erweisen - immer wenn man einem Verdacht nachgeht, wachsen zwei noch schlimmere Befürchtungen nach.
Stuttgarter Zeitung: Die Parteien sind zentrale Akteure in unserer Demokratie. Deshalb ist es besonders wichtig, dass es bei ihrer finanziellen Ausstattung und bei möglichen Abhängigkeiten von Geldgebern keine Grauzonen gibt. Und aus diesem Grund ist das, was Altkanzler Helmut Kohl im ZDF sagte und am Wochenende noch einmal wiederholte, nichts anderes als ein Bruch unserer Verfassung. Er selbst ist es, der mit seinen Auftritten und Erklärungen Einblicke in sein politisches Denken gewährt, die sein Lebenswerk in einem anderen Licht erscheinen lassen. Er selbst ist es, der jedes Unrechtsbewusstsein vermissen lässt. Er, der Historiker, ist es, der zeigt, dass er aus dem Flick-Parteispendenskandal nichts gelernt hat. Wann setzt sich in der CDU nur die Einsicht durch, dass ein endgültiger Bruch zwar schmerzvoll, aber bitter notwendig ist?
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