Schäuble rechnet mit Kohl ab
«Stern» beginnt Vorabdruck des Schäuble-Buchs - Kohl hielt Spendenaffäre für «eigentlich nicht so schlimm»
Berlin (AP) Mit der Veröffentlichung von Teilen seines Buches «Mitten im Leben» im Hamburger Magazin «Stern» hat der frühere CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble die mit Spannung erwartete politische Abrechnung mit Altkanzler Helmut Kohl begonnen. In dem Buch macht Schäuble Kohl hauptverantwortlich für die «existenzbedrohende Krise», in die die CDU durch Kohls Verstöße gegen das Parteiengesetz geraten ist. Es soll von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel am 5. Oktober offiziell vorgestellt werden.
In dem am Mittwoch veröffentlichten Auszug schildert Schäuble unter anderem sein letztes Gespräch mit Kohl am 18. Januar in dessen Berliner Büro, bei dem er den Altkanzler vergeblich aufgefordert hatte, die Namen der Spender zu nennen oder sein Bundestagsmandat niederzulegen. Bei diesem auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre geführten Gespräch habe Kohl die Angelegenheit als «eigentlich nicht so schlimm» bewertet. Für seine Handhabung der Spenden habe ein Großteil der Bevölkerung Verständnis. Auch «die Geschichte in Hessen» - die dortige CDU hatte Schwarzgelder als Vermächtnisse verstorbener Juden deklariert - sei «nicht so tragisch». Erst die Annahme der 100.000-Mark-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber durch Schäuble habe die Affäre zu einer so dramatischen Krise werden lassen.
Kohl habe ihn zuvor bereits «frohgemut» mit der Frage «trittst du zurück?» zu dem Gespräch empfangen, schreibt Schäuble. Er habe Kohl nach dessen Erklärung, weder die Spender zu nennen noch das Mandat niederzulegen, darauf hingewiesen, dass er dann zurücktreten werde, «weil ich die Partei aus der Krise, die er mit der Zerstörung des Ansehens seiner Regierungszeit verursache, nicht herausführen könne», schreibt Schäuble weiter. Kohl «schien von dieser Mitteilung nicht sonderlich betroffen zu sein». Schäuble beendete dieses letzte Gespräch mit dem Altkanzler nach eigener Darstellung mit der Bemerkung, er habe wohl schon zu viel seiner knapp bemessenen Lebenszeit mit Kohl verbracht.
Schäuble bestätigt in seiner Schilderung, dass er unmittelbar nach der Unterredung mit Kohl dem CDU-Präsidium seinen Rücktritt angeboten hat. Von dieser Absicht habe er die damalige Generalsekretärin Angela Merkel bereits am Abend zuvor unterrichtet gehabt. Deren Reaktion schildert er so: «Die Generalsekretärin war aufs Äußerste betroffen und beschwor mich, meinen Entschluss rückgängig zu machen. Es könne nicht richtig sein, dass für diese Krise ein Parteivorsitzender geopfert werde, der zwar vielleicht Fehler gemacht habe, der aber letztlich für die prekäre Situation keinerlei Verantwortung habe.»
Das Präsidium habe sich ebenfalls gegen seinen Rücktritt ausgesprochen und in seiner Abwesenheit dann beschlossen, Kohl aufzufordern, die Spendernamen preiszugeben und seinen CDU-Ehrenvorsitz ruhen zu lassen, solange er die notwendigen Aufklärungsbeiträge nicht leiste. Diese Erklärung sei anschließend vom Bundesvorstand gebilligt worden, anderenfalls wäre das gesamte Parteipräsidium zurückgetreten.
Kohl hatte noch am selben Tag den Ehrenvorsitz niedergelegt. Schäuble hatte knapp vier Wochen später den Vorsitz in der CDU und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion niedergelegt. Bis zur offiziellen Veröffentlichung des Buches will der «Stern» in zwei weiteren Ausgaben aus dem Werk zitieren.
|