Schäubles groteske Aufklärung
Von Gerhard Spörl
Aus gegebenem Anlass muss an zwei wichtige Vorhaben erinnert werden, die Wolfgang Schäuble ankündigte, ehe die Parteispendenaffäre, die nun nicht mehr einzig und allein ein Problem Helmut Kohls ist, durch neue Informationen an Unübersichtlichkeit gewann. Der Parteivorsitzende der CDU sprach von Aufklärung, für die er zu sorgen gedenke, und er nannte das System Kohl »patriarchalisch«. Nimmt man beide Vorsätze zusammen, landet man erhellend beim Königsberger Philosophen Immanuel Kant, der Aufklärung im Allgemeinen als Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit definierte.
Mittlerweile steht der Parteivorsitzende selbst im Mittelpunkt des Interesses, und die versprochene Aufklärung grenzt ans Groteske.
Nach der Erklärung Schäubles war ihm der bayerische Unternehmer Karlheinz Schreiber, dem er gemäß seiner vorletzten Erinnerung irgendwie flüchtig und irgendwie am Rande eines Begebnisses begegnet war, tags darauf immerhin soweit bekannt, dass er ohne großes Zögern und mannhaft, als sei es reine Routine, 100.000 Mark in bar in Empfang nahm. Einwand: Wenn solche großzügigen Gesten so unüblich gewesen sein sollten, wie es Schäuble jetzt darstellt, hätte das Vorkommnis sein Gedächtnis soweit schärfen sollen, dass es ihm bei der Frage, wie gut er Schreiber kenne, wieder eingefallen wäre.
Schäuble erinnert sich jetzt, dass er den schönen Batzen der Schatzmeisterin Brigitte Baumeister überantwortete. Sie bestätigt die Übergabe, was wichtig ist, weil Schäuble seiner Argumentation zufolge sich damit in toto korrekt verhalten hat, womit es aus seiner Sicht keinerlei Grund zum Rücktritt gibt.
Aus Baumeisters Erklärung - sie bedauert schriftlich ihren Fehler, wie alle in dieser Affäre ihre Fehler, die Rechtsverstöße sind, bedauern - geht hervor, dass sie das Bare in der zweiten Jahreshälfte 1994 von Schäuble bekommen hat. Sie habe nicht recht gewusst, was sie damit machen solle, zumal der Spender keine Spendenbescheinigung gewünscht habe. Um Rat gefragt, habe der vormalige Schatzmeister Walther Leisler Kiep sich gemeinsam mit dem Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch der Sache angenommen. Der Betrag sei mit dem Vermerk »Kiep« auf dem offiziellen Konto der Schatzmeisterei - brav, brav: kein verdächtiges Anderkonto - unter »sonstige Einnahmen« verbucht worden.
Inzwischen, so ließ wiederum Schäuble wissen, sei dank der Wirtschaftsprüfer, die das Rechenwerk der CDU durchforsten, ermittelt worden, dass die 100.000 Mark des bayerischen Geschäftsmannes Schreiber am 18. Dezember 1995 - also schon nach mehr als einem Jahr - auf das Konto einer Frankfurter Bank einbezahlt wurden.
Soweit wäre alles geklärt, wenn da nicht ein kleiner, entscheidender Einspruch käme: Kiep erklärte, er habe von Baumeister keine Spende erhalten und sei weder 1994 noch später um Rat gefragt worden, wie mit Barspenden zu verfahren sei.
Dies sind die Früchte der Aufklärung eines Tages. Und in diesem Zusammenhang fällt dem aufmerksamen Zeitgenossen ein Satz ein, den Schäuble am 8. Dezember von sich gab: »Was mich immer traurig macht: Wenn man alle Fragen beantwortet und dann bleiben immer noch ungeklärte.« Selbst schuld.
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