Die an der Ostspitze von Afrika gegenüber dem Kap Guardafui gelegene kleine Insel Sokotra ist infolge ihrer besonderen Lage inmitten der meistbenutzten Seefahrtsstraßen nach Indien, Ostasien und der Ostküste Afrikas vor ungefähr fünfzehn Jahren auf ihrer südlichsten Landzunge von dem englischen Gouverneur (Sokotra gehört zum englischen Kolonialbesitz) mit einem Postamt ausgestattet worden, das weder eines besonderen Gebäudes noch eines Postbeamten bedarf. Es besteht aus einem großen, eisernen, mit wasserdicht schließendem Deckel versehenen Kasten, der auf einem weithin sichtbaren, gemauerten Pfeiler befestigt ist, und wird hauptsächlich von den Besatzungen der Segelschiffe zur Beförderung von Briefen benutzt. Als der amerikanische Milliardär Vanderbilt auf seiner letzten Weltreise bei Sokotra vorüberkam, wurde er von einem ortskundigen Bekannten auf die merkwürdige Postanstalt aufmerksam gemacht. Vanderbilt ließ sofort ein Boot aussetzen und sich nach der Landzunge hinüberrudern. In dem eisernen Kasten fand er, wie er in seinem kürzlich veröffentlichten Tagebuche schreibt, nicht weniger als 16 Briefe an die verschiedensten Adressen. Wie dies durch eine stillschweigende Übereinkunft unter den Seefahrern aller Nationen stets getan wird, nahm Vanderbilt die nach indischen und ostasiatischen Hafenplätzen bestimmten Schreiben mit, da er sich gerade auf der Reise nach Kalkutta befand, und beförderte sie dann weiter. Um aber festzustellen, inwieweit man sich auf die Sicherheit dieses einsamen Postamtes verlassen könne, übergab er dem eisernen Kasten ein an einen Londoner Freund adressiertes Päckchen, in dem außer dem mit Blei geschriebenen Briefe noch 300 Dollars in Papiergeld lagen. Einen Monat später – Vanderbilt weilte gerade in Peking – erhielt er dann aus London eine Depesche, in der ihm der Freund das pünktliche und unversehrte Eintreffen der auf so einfache Art beförderten Geldsendung bestätigte.
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