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solarschule schrieb am 13.2. 2003 um 03:19:12 Uhr über

Bruderblut

Dämaso Alonso (geh. 1898)

DER LETZTE KAIN

Nun hast du getötet deinen letzten Bruder, nun bist du allein.

Gebt Raum! Platz, Platz dem Menschen!

Unter der Bleihaube der Nacht, bedruckt von der einrnütigen Anklage der Gestirne, die lautlos seufzen, wohin wirst du deinen Schritt lenken?

Diese öden Gefilde

wimmeln von Gespenstern, die körperhaft wider die Luft anstehn, schwarz in der Schwärze, ein Basalt von Schatten, der sich über anderen Schatten anhäuft.
Und du preßt die keuchende Brust

wider eine Mauer von Toten, die aufrecht stehn auf ihren Gräbern, als schöbest du noch immer den Karren deines Hasses über einen Markt ohne Ende, um das Bruderblut zu verkaufen,

der wider dich andrang, der Liebe freund, dem Leben freund,

@vi . e an jenem sonnigen Morgen, der deiner gelblichen Blässe trotzte,

Wie der mächtige Saft im Frühling dem glimmen
D . isteldorn freund ist, der ihn verleu,-"et,
Wie

die anrollende Flut im August dem ärgsten Knaben freund ist, der mit seinem Spielen den Strand wider sich aufbringt.

Ach ja! Du trafst, du spürtest

- Frohlocken, Frohlocken!
Es war Blut! Es waren die harten Blöcke des Blutes.

Wie der Geizhals den Hauf seiner Rotfüchse küßt und belastet, so tauchtest du die Hände in diese dichteste Wärrne

(gemacht aus unserem schlaf, unserer Liebe, die unablässig flüstert), um dein Leben ohne Liebe und ohne Schlaf zu feien; netztest auch die Lefzen in der rauchenden Lache, als \,volltest du sclilürfen das warme Weltgeheimnis.

Doch nun: sieh,

es sind Schatten, woran du stößt; hast du nicht gesehn, daß es Schatten sind?

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Oder gehst du etwa gekrümmt unterm Tau den Leinpfad hinauf, zerrend an einem wuchtigen Kahn voll Granit, der sich wieder und wieder im Ufergestrüpp verhängt? Du, Ginster, der sich im Windstoß krümmt, ohnmächtiger Bogen, der nicht von Kriegsgeschrei und Pfeilen tönt, wütendes Rind, das den Nacken stemmt und im Gefels auf die Knie geht,
mit knarrenden Muskeln, gefolterten Fleisches ein Abbild?

Schatten sind es, Frost und Schatten, was dich festhält: umringt bist du von eisigen Schatten.
Auch die Räume hassen, auch die Räume sind hart;

auch Gott haßt.
Gebt Raum! Platz, um Erbarmen, dem Menschen!

Im Angesicht hast du die Wonne der Sti-bme; lau sind noch die beschnittenen Pfade.
Der Weg liebe Gewohnheit, in denen noch das Herz des Tages pocht,
(das Stelldichein, heimlich wie der versteckte Kern einer Frucht, die plumpe weiße Dogge, die uns am treuesten anhängt, die Zeichensprache, mit der wir wortunkundiger Zärtlichkeit Ausdruck verleihn) ja, die liebenden Wege, die nicht vergessen, tragen noch die feine Spur, den zarten Abdruck des

menschlichen Fußes,
der nun weder Ziel hat noch Bestimmung auf Erden, der nur noch Zeit ist weithin, ohne Werden: Zeit Gottes, Anliegen Gottes, nicht des Menschen.

Wohin willst du fliehen, Kam, letzter Kain?
Du fliehst wider Schatten, vor Schatten fliehend,
du fliehst,
als wolltest du deinem Gedächtnis entfliehen,
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