iCH HABE EINE pIPINEUROSE: das habe ich von meiner Mutter, die lief in den zwei Jahren bevor sie in das Demenzheim kam, mir manchmal hinterher wenn ich sagte, komm, wir gehen raus, spazieren, sie wusste schon nicht mehr den Weg nach Hause oder wohin, aber sie lief mir hinterher, unterwegs sammelte sie Stöckchen und zeigte sie mir, kuck mal, was ich gefunden habe, wir liefen den Berg hinauf der bei uns Nussberg heißt, hoch Richtung Wald, und kamen an gelben Rapsfeldern vorbei. Immer wenn sie unruhig wurde sagte ich zu ihr, du musst pinkeln, setz dich an den Wegrand. Und das tat sie. Danach sagte sie, jetzt geht es mir besser, du weist was gut für mich ist. Oben angekommen sieht man einen großen Teil des Rheintals fast von Rüdesheim bis Frankfurt und es wehte ein lauer Frühlingswind. Der Abstieg war leichter als der Aufstieg, sie breitete die Arme aus im Wind und lief und sie rief, ich fliege. Das war mein letztes bewußtes Erleben mit ihr, Es war schön und es war sehr traurig sie in dieser Zeit zu begleiten. Nun ist sie iegnetlich obwohl vorhanden nicht mehr anwesend. Sie musste immer und überall pinkeln, egal wohin wir gingen, alle Unruhe die in ihr war, war nur diese Kleinigkeit, und ich kannte alle Klos der Stadt zu denen man schnell hingelangte, im Rathaus, in der Buchhandlung, usw, und heute, verspüre ich die gleiche Unruhe beim geringsten Harndrang. Das muss dann immer erst erledigt werden bevor ich in Ruhe weiter spazieren kann. Ich pflanze das Andenken an meine Mutter neben diesen Bratapfelbaum der vielleicht zu einer Liebe heranwächst die der ihren ähnlich ist und ich nehme sie heute zärtlich in die Arme und verzeihe ihr jeden Schlag und jede Folter die sie in jungen Jahren bewusstlos an mir ausübte.
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