Auf ihrem 2. Parteitag (1903), der im Ausland
stattfinden musste, spaltete sich die russische
sozialdemokratische Partei (SDAPR) in eine radikale
Richtung unter Lenin, die die Mehrheit (russisch
bolschinstwo) errang, und eine Minderheit (russisch
menschinstwo) unter Martow. Die dazugehörigen
Personenbezeichnungen lauten Bolschewik oder
Bolschewist (russisch bolschewik 'Mehrheitler') und
Menschewik oder Menschewist (russisch menschewik
'Minderheitler'), und das entsprechende Abstraktum
für die später erfolgreiche und 1917 in die
Oktoberrevolution mündende Politik Bolschewismus
ist zu einem der prägnantesten politischen
Kampfbegriffe des 20. Jahrhunderts geworden.
Bolschewismus (heute weniger gebräuchlich) steht als
Sammelname für die Theorie und Praxis des
Kommunismus sowjetischer Prägung und der von ihm
abhängigen oder beeinflussten Parteien.
Von 1903 an bis in die 50er Jahre wurde
Bolschewismus, je nach politischem Standpunkt, als
positives Fahnenwort oder als verdammendes
Stigmawort gebraucht. In der Sowjetunion trug der
Name der dominierenden Partei bis 1952 den Zusatz
Bolschewiki, also KPR (B) bzw. KPdSU (B), und
international wurde Bolschewismus rasch mit
Kommunismus, später mit Leninismus und
Stalinismus gleichgesetzt. Die Nazis zogen den
Ausdruck und seine Ableitungen in ihre rassistische
Ideologie, und ihre Propaganda hetzte in den
Kriegsjahren gegen die "bolschewistischen
Untermenschen". Wegen der weltweiten Bedeutung
der russischen Revolution setzte sich Bolschewismus
(in kaum veränderter Gestalt) in anderen Sprachen
durch und erwies sich in dieser Weise als ein echter
Internationalismus: englisch bolshevism, französisch
bolchévisme, polnisch bolszewizm, türkisch bolsevizm.
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