Sie sitzt auf einem Baumstumpf mitten im Wald, die Augen starren reglos in die Ferne. Sie sieht nichts, nicht die Sonne, die wunderschön scheint, nicht den kleinen Vogel zu ihren Füßen, der sie nicht bemerkt, da sie es selbst nicht mehr tut - sie hat sich schon eine kleine Ewigkeit lang nicht mehr bewegt. Ihre großen Augen sehen unendlich traurig aus, doch sie kann nicht mehr weinen. Das hat sie schon lange verlernt. Die Leere in ihrem Innern scheint sie zu zerquetschen...ihr Herz fühlt sich an, wie ein schwarzer, kranker Klumpen. Sie will nicht mehr, kann nicht mehr, kann sich selbst so nicht mehr ertragen...fühlt sich schuldig. Es kann nur an ihr liegen. Sie ist so wertlos, dass nicht mal ihre Familie sie liebt, geschweige denn jemand anderes. Manches Mal dachte sie, Liebe gefunden zu haben, doch jedesmal musste sie erkennen, dass sie nur geben sollte...ausgesaugt, so wurde sie immer leerer.
In diesem Moment erfasst ihr Blick den blutroten Sonnenuntergang. Sie erwacht aus ihrer Starre, ja, sie hat wieder Gewalt über ihren Körper. Neben dem Baumstumpf, die Tasche - das Portemonaie - die Rasierklinge. Langsam zieht sie mit der Klinge über ihren Arm, das Blut tropft auf den Waldboden, hinterlässt ein bizarres Muster auf ihrem Arm. Wieder und wieder, schneller und fester dringt die Klinge in ihren Arm. Ihr Gesicht verzieht sich zu einem manischen Grinsen, doch die Augen sind tot. Endlich lässt sie die Klinge fallen. Sieht erstaunt auf ihren Arm, als würde sie die Wunden nun zum ersten Mal sehen. Sie fühlt Leben, Tod, Schuld, Strafe, Erleichterung...sich.
Sie bricht völlig erschöpft auf dem nassen Waldboden zusammen, endlich beginnen die Tränen zu laufen.
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